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Religiöser Extremismus Wie friedlich ist der Buddhismus?

Der Buddhismus ist für viele Menschen eine sanfte und friedliebende Religion. Doch es gibt auch Gewalt: Ist der gewaltfreie Buddhismus ein westliches Missverständnis?

In Burma gehen Buddhistinnen und Buddhisten gewaltsam gegen die Minderheit der muslimischen Rohingya vor.

In Sri Lanka verfolgte im Bürgerkrieg die buddhistische, singhalesische Mehrheit die tamilische, hinduistische Minderheit. Tamilische Hindus gelten ihnen bis heute als minderwertig und Bürger zweiter Klasse. Das erschüttert das Bild des friedlichen Buddhismus.

Wird die Religion missbraucht?

«Der Buddhismus existiert nicht im luftleeren Raum», erklärt die Religionswissenschaftlerin Dolores Zoé Bertschinger. Sie verweist auf unterschiedliche Traditionen des Buddhismus in verschiedenen Ländern. Sie seien verschiedenen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Einflüssen ausgesetzt.

Ein erschöpfte Frau kniet am Boden am Strand.
Legende: Eine erschöpfte Rohingya erreicht die Küste Von Bangladesh: Der Konflikt in Burma trieb Hunderttausdene in die Flucht. Reuters / Danish Siddiqui

Im Fall von Burma spielen die koloniale Vergangenheit und der Nationalismus eine wichtige Rolle. Während des Zweiten Weltkriegs hätten zum Beispiel die Briten die muslimischen Rohingyas bewaffnet, während die Japaner die buddhistischen Burmesen mit Waffen ausgerüstet hätten. Beide seien dann gegeneinander in den Kampf geschickt worden.

Eine friedfertige Tradition

Gleichwohl gehört das Gebot «Du sollst nicht töten» zu den fünf ethischen Grundsätzen des Buddhismus. Gewaltlosigkeit und Mitgefühl sind Grundpfeiler der buddhistischen Ethik.

«Viele Jahrhunderte der buddhistischen Geschichte sind durch grosse Friedfertigkeit gekennzeichnet. Alte buddhistische Texte bestätigen das Bild einer friedfertigen Tradition», erklärt Jens Schlieter. Er lehrt Religionswissenschaft an der Universität Bern. Buddha selbst habe sich dafür eingesetzt, Konflikte gewaltfrei zu lösen.

«Achtsam morden»

Jens Schlieter warnt aber vor einem westlichen Missverständnis: «Achtsamkeit und Achtsamkeitsübungen führen nicht direkt zu einer friedfertigen Gesellschaft.»

Es gebe inzwischen Achtsamkeits-Programme für US-amerikanische Bomberpiloten oder den (ironischen) Roman mit dem Titel «Achtsam morden». Schlieter fügt hinzu: «Es gibt natürlich auch buddhistische Texte, die Gewalt sehr deutlich legitimieren.»

Subtile Formen von Gewalt

Religionswissenschaftlerin Bertschinger weist auf die subtilen Formen von Gewalt innerhalb des Buddhismus hin, zum Beispiel den Ausschluss von Frauen von der spirituellen Ausbildung und Praxis.

Die Gleichberechtigung von Frauen war im Buddhismus von Anfang an umstritten. Buddha hatte Frauen erst nach mehrmaligem Bitten in seine Gemeinschaft aufgenommen.

«Frauen wurden diskriminiert und haben in den Klöstern nicht dieselbe Ausbildung erhalten wie Männer», erklärt Dolores Zoé Bertschinger. Nonnen seien im Buddhismus an vielen Orten bis heute niedriger gestellt als Mönche.

Ein Mann mit Waffe vor brennender Hütte.
Legende: Im Bundesstaat Rakhine in Burma herrscht seit Jahrzehnten ein gewaltsamer Konflikt zwischen den buddhistischen Rakhine und den muslimischen Rohingya. Reuters / Staff

Neue Tradition

Der Religionswissenschaftler Jens Schlieter stellt fest: «Seit 30, 40 Jahren bildet sich eine buddhistische Tradition, in der die Gleichheit der Geschlechter, demokratische Strukturen oder der nachhaltige Umgang mit natürlichen Ressourcen wichtig sind.» Dieser Buddhismus sei international verankert und nicht mehr nur regional geprägt.

Hier scheint sich eine buddhistische Tradition zu etablieren, die weitgehend dem westlichen Idealbild von einem friedfertigen Buddhismus entspricht. Und sie zeigt: Auch religiöse Traditionen sind nicht in Stein gemeisselt.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Perspektiven, 15.3.2010, 08:30 Uhr.

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