Sie leben im Verborgenen. Arbeiten häufig in prekären Verhältnissen, ohne Rechtssicherheit. Nicht selten wird ihre Arbeitskraft ausgebeutet. Wer es schafft, als Sans-Papiers in der Schweiz zu überleben, vollbringt eine unvorstellbare Leistung – und zahlt einen hohen Preis dafür: ein Leben in der Anonymität.
So beginnt denn auch das Buch «Von der Kraft des Durchhaltens»: «Wir leben im Schatten. In der Anonymität gelingt es uns Tag für Tag, unbemerkt zu bleiben.»
Weiter heisst es im Prolog: «Dieses Buch bedeutet für uns die Möglichkeit zu glänzen. Das helle Licht unserer Stärke zum Strahlen zu bringen. Durch die Selbstermächtigung, die in der Konstruktion unserer eigenen Erzählungen liegt.»
Eine vielköpfige Autorenschaft
«Von der Kraft des Durchhaltens» ist einzigartig in der Machart. Geschrieben wurde es in einem kollektiven Prozess während vier Jahren. Einen eigentlichen Autor oder eine Autorin gibt es nicht. Über 80 Personen waren beteiligt: Sans-Papiers, ihre Kollektive und ihre Verbündeten.
Auch Alieu Ceesay hat mitgeschrieben und seine Geschichte im Buch erzählt. Seit fast zwölf Jahren lebt er in der Schweiz, viele davon ohne gültige Papiere. Es sei ein Zustand der permanenten Angst und Unsicherheit.
Es ist an der Zeit, mich nicht mehr zu verstecken.
Er wage sich nicht ohne ständige Angst vor der Polizei auf die Strasse, sagt Ceesay. «In diesem Land ein Migrant ohne Papiere zu sein, ist eine der schlimmsten Situationen, in der man sich befinden kann.»
«Genug ist genug»
Für Alieu Ceesay war klar, dass er an dem Buch mitarbeiten wollte. Zwar sei es riskant. Aber es sei vor allem ein Akt der Befreiung, der Selbstermächtigung.
«Genug ist genug. Es ist an der Zeit, mich nicht mehr zu verstecken. Das ist der einzige Weg, das Narrativ über Sans-Papiers zu verändern.» Veränderung dadurch, dass Sans-Papiers für sich selber sprechen.
Denn aus Sicht der Behörden ist die Sache klar: Sans-Papiers müssten die Schweiz verlassen. Tun sie das nicht, halten sich die Menschen illegal in der Schweiz auf und verstossen damit gegen das Ausländerrecht.
Mitten aus dem Leben erzählt
Die Stärke des Buches liegt in seinem Perspektivenwechsel: Sans-Papiers erzählen ihre Wirklichkeit. Es geht um Verzweiflung und Hoffnung, Liebe und Beziehungen, und um Rassismus und Polizeikontrollen.
Es sind erschütternde Schicksale. Aber da ist auch Ermutigendes: der unbedingte Durchhaltewillen der Menschen, ihre Tatkraft, die grosse Solidarität untereinander und von Verbündeten.
Im Buch erfährt man viel über den politischen Kampf der Sans-Papiers in der Schweiz. «Von der Kraft des Durchhaltens» ist eine Art Sammelband. Eine Mischung aus politischem Manifest, sensiblen Einblicken in Lebensrealitäten, Gedichten, Collagen, Sachbuch.
Kampf um alltägliche Dinge
Bei der Lektüre wird klar: Wer keine gültigen Papiere hat, wird aus der Gesellschaft herauskatapultiert, verliert seinen Platz in der Welt und muss ständig um alltägliche Dinge kämpfen.
Ein Kraftakt. Und damit verbunden, die politische Hoffnung, dass es auch anders ginge, sagt Alieu Ceesay. «Wir leben schon seit so langem in der Dunkelheit. Und gleichzeitig kämpfen wir dafür, dass es anders wird. Dass Menschen, die schon viele Jahre in der Schweiz leben und arbeiten, eine Bewilligung erhalten.»