Lo & Leduc reiben sich die Augen: Über 4 Millionen maI wurde ihr Hit «079» im benachbarten Deutschland gestreamt. Schweizer Mundart hat im Ausland keine Chance? «079» scheint diese alte Regel Lügen zu strafen.
Tatsächlich hatten Lo & Leduc keinen grossen Effort unternommen, ihren Song ins deutsche Radio zu bringen. Dank dem Streaming-Erfolg ist Schweizerdeutsch nun trotzdem auf manchem deutschen Radiosender zu hören.
Dank Spotify-Klicks zu mehr Konzerten
Dass Musiker und Labels genaue Hördaten kennen, ist etwas Neues. Spotify und andere Streaming-Plattformen geben Aufschluss darüber, wo und wie oft ein Song aufgerufen wird. Das Versprechen dieser Anbieter, die Musik aus ihrer Stube in die weite Welt zu tragen, scheint aufzugehen: zumindest im Fall von Lo & Leduc.
Für sie hat sich ein Traum erfüllt: Die beiden können von ihrer Musik leben. Die Tantiemen aus dem Streaming-Erfolg spielen dabei aber keine grosse Rolle. Sie verdienen immer noch mehr mit CDs und legalen Downloads als über Streaming. Und das, obwohl die Verkäufe physischer Tonträger seit Jahren im Sinkflug sind.
Wirklich entscheidend für den finanziellen Erfolg sind aber Konzerte und grosse Auftritte auf Festivals. Um an Auftritte zu kommen, ist der Erfolg auf Streaming-Plattformen entscheidend.
«Black Sea Dahu»: Ununterbrochen auf Tour
Dank Streaming haben auch «Black Sea Dahu» respektablen Erfolg. Die Zürcher Folkband um die Sängerin und Songwriterin Janine Cathrein hat via Spotify ein Millionenpublikum erreicht.
Nun sind die Newcomer auf einer ausgedehnten Tour, inzwischen weit über die Schweiz hinaus. Sie sind viel unterwegs, spielen Konzert um Konzert. Zu wissen, wo sie am meisten gestreamt werden, ist bei der Planung der Tour entscheidend. Der Streaming-Erfolg ist ein wichtiges Argument für die Verhandlung mit Veranstaltern.
Play: die Währung auf Spotify
Bekanntheit durch Spotify ist für «Black Sea Dahu» entscheidend. Finanziell zahlt es sich nicht unbedingt aus: Wenn es gut läuft, erhält die sechsköpfige Band monatlich 2000 Franken Tantiemen von Streamingdiensten.
Vor allem ein Song gab den Ausschlag zum Erfolg: «In case I fall for you» schaffte es, auf verschiedene Playlists auf Spotify zu kommen. Das wiederum war ausschlaggebend für viele zusätzliche «Plays» – die Währung der Online-Streaming-Dienste.
Durch den Umweg über die kuratierten Playlists haben viele Hörerinnen und Hörer dann das Debütalbum von «Black Sea Dahu», «White Creatures», entdeckt.
Ende des Musikalbums?
Auf Spotify geben einzelne Songs den Ton an, nicht ganze Alben. Diese Tatsache könnte das Musikalbum als Kulturgut gefährden, zumal die Marktanteile der Streamingdienste steigen.
Mundart-Legende Endo Anaconda erkennt darin eine Oberflächlichkeit, die sich beim Umgang mit Musik zunehmend bemerkbar mache. In der Playlist-Kultur dominiere ein Flatrate-Hören, das nach Stimmungen und Sparten sortiert werde. Musik verkomme zur Untermalung von Stimmungen: «Zum Hintergrundrauschen, das kein konzentriertes Zuhören verlangt.»
«Ein besserer Deal»
Für Endo Anaconda bleibt das entscheidende Werk von Musikern das Album: «Lieder, die in einem Zusammenhang mit anderen stehen. Für die man sich Zeit nimmt und die man bewusst hört.»
Er wünscht sich ein Publikum, das sich weiterhin bewusst und aufmerksam Musik hört. Denn ein solches Publikum besucht auch Konzerte.
Anaconda kann trotz dem Rückgang physischer Tonträger noch immer von den Einnahmen aus dem Verkauf seiner CDs leben. Auf Spotify sind seine Alben nicht zu finden. Bei Apple Music hat er «einen besseren Deal bekommen» – allerdings sind auch dort die Einnahmen dürftig.
Reich wird keiner
Eins ist sicher: Reich wird in der Schweizer Musikszene niemand mit den schmalen Tantiemen von Spotify, Deezer oder Apple Music. Jeder «Play» wird mit rund 0.5 Rappen honoriert. Ganz gleich, ob es ein neuer Song oder ein Klassiker ist. Ob er von einer Person am Computer geniert oder von einer Big Band eingespielt wurde.
Doch Widerstand gegen die Streaming-Giganten scheint zwecklos: Wer hier nicht vorkommt, existiert schlichtweg nicht.