Es ist noch nicht lange her, da fanden das viele normal: mit Facebook bei Spotify einloggen und alle Freunde konnten sehen, welche Musik die andern hörten. Und das hiess, zu vermuten, was sie taten, fühlten oder wählten.
Eine Playlist für das Fitnessstudio: Ja, der Urs will abnehmen. Oha, die Anna, ein Schmusetape zum Kuscheln – am Nachmittag!
Die User sind vorsichtiger geworden. Auch Spotify scheut heute Shitstorms. Der Streamingriese gehört globalen Investoren und versteuert in Luxemburg. Die Gründer waren schwedisch.
Das Streamingportal gehört zu den ganz Grossen im Markt: 217 Millionen User weltweit verraten Namen, Geschlecht, Alter. 100 Millionen haben ein Abo abgeschlossen, der Rest nimmt Werbung in Kauf. Aber zahlen tun wir alle: mit unseren Daten.
Forscherteam hackt den Algorithmus
Auch wenn wir die Details noch immer nicht kennen, wissen wir dank einem bahnbrechenden Buch von fünf Forscherinnen und Forschern etwas mehr.
Es heisst «Spotify Teardown» und nimmt die Firma auseinander, wie es der Originaltitel nahelegt (eine deutsche Übersetzung gibt es nicht).
Das Buch blickt in die Firmengeschichte, zeigt den Wandel des Businessmodells, erklärt die Technologie. Und spielt damit. In mehreren Fällen führt «Spotify Teardown» die Technologie mit ihren eigenen Mitteln hinters Licht.
Was treibt die Streams nach oben?
Die Forscherinnen und Forscher programmierten Bots, die beweisen, dass die Anzahl der Streams manipuliert werden kann. Und sie erfanden Künstler und Bands. Die fiktive Gruppe Fru Kost versammelte auf dem Album etwa Frühstücksgeräusche.
Mit solchen Tricks wollten sie herausfinden, was Spotify als Musik bewertet. Und wie man als Künstler die Streams nach oben treibt.
Zweifelhafte Nutzungsbedingungen
Spotify schickte dem Autorenteam die Anwälte vorbei. Kurz vor dem Börsengang im letzten Jahr fürchtete die Firma schlechte Presse. Der schwedische Staat, der das Forschungsprojekt mit einer Million Euro förderte, solle sofort den Geldhahn zudrehen.
Denn das Forscherteam habe gegen die Nutzungsbedingungen verstossen. Was aber, wenn diese Endlostexte, die niemand versteht, selbst gegen Grundrechte verstossen? So beurteilte das der Staat und wies die Forderung ab. Das Buch konnte erscheinen.
Spotify, der Datenbroker
Darin stellt das schwedische Forscherteam klar, dass Spotify in erster Linie ein Datenbroker ist, in zweiter Linie eine Technologiefirma. Musik ist bloss das Schmiermittel.
Dabei verkauft Spotify unsere Daten auch an Firmen, die mit Geheimdiensten Geschäfte machen. Daten darüber, wie wir auf dem Telefon wischen und wie wir uns im realen Leben bewegen.
Diese Bewegungsprotokolle seien aber nicht personalisiert, es steht nicht «Urs» oder «Anna» drauf. Heisst es im Buch.