Basel ist ein Hotspot der Prostitution. Von jeher zieht die grenznahe Messestadt Sexarbeiterinnen an. Mehrere Tausend sind ständig hier, viele kommen temporär. Mehrheitlich stammen die Frauen aus Afrika, Asien und Osteuropa.
Bereits vor drei Jahren hat die Katholische Synode beider Basel beschlossen, ein Seelsorgeprogramm für die Frauen im Gewerbe anzubieten. Jetzt wurde das Projekt für weitere drei Jahre verlängert.
Ausgerechnet die Kirche
Zuständig dafür ist die Theologin Anne Burgmer. Sie beschreibt es als ihre Aufgabe, den Prostituierten auf Augenhöhe zu begegnen: «Ich bin zu den Frauen geschickt worden, um ihnen eine christliche Perspektive auf ihr Leben anzubieten, wenn sie das möchten. Ich bin da, um Glaubensfragen zu diskutieren, aber auch, um einfach über Gott und die Welt zu sprechen», sagt sie.
In den letzten drei Jahren hat die Theologin das Projekt «Seelsorge im Tabubereich» aufgebaut. Die Sexarbeiterinnen kommen nicht zu ihr ins Büro. Sie müssen in den Etablissements bleiben, um für mögliche Freier parat zu sein.
Darum findet die «Seelsorge im Tabubereich» genau dort statt, wo die Frauen anschaffen: in den Salons oder auf der Strasse.
Viele Frauen seien offen für die Ansprache, erzählt Anne Burgmer. Manche seien sogar gerührt darüber, «dass ausgerechnet die Kirche, die sonst eher als moralisch strikt bekannt ist, sich ins Milieu begibt.»
Smalltalk, Zeit haben, zuhören
Viele Sexarbeiterinnen aus Südamerika oder Afrika sind Christinnen, sie besuchen aber selten die Angebote klassischer Kirchgemeinden. Zweimal im Jahr gibt es deshalb in der Clarakirche im Kleinbasel eine ökumenische Segensfeier speziell für Menschen in der Sexarbeit.
Zusätzlich bietet die Theologin Einzelgespräche an. «Das ist seelsorgerliche Arbeit. Sie unterscheidet sich aber von der klassischen Seelsorge, weil dabei schon die Anwesenheit und das Gespräch als Seelsorge gelten kann. Die Frauen geniessen es, wenn jemand zu ihnen kommt, und einfach Zeit für sie hat, aber nichts von ihnen will», sagt sie.
Keine Hilfe beim Ausstieg
Nichts von den Sexarbeiterinnen zu wollen bedeutet auch, nicht den Eintritt in die römisch-katholische Kirche oder den Ausstieg aus der Prostitution zu fordern: «Ich glaube nicht, dass das meine vorrangige Aufgabe ist. Ein Grund dafür ist, dass eine Ausstiegsbegleitung unglaublich umfangreich ist. Die Frau braucht dafür einen tragfähigen Arbeitsplatz, bei dem sie Geld verdienen kann. Sie braucht ja ein Auskommen.»
Damit ein Ausstieg gelingt, braucht es gleich mehrere Massnahmen: Die Frauen müssen Deutsch lernen, eine Wohnung und eine andere Arbeit finden. Dazu kann die Seelsorgerin nicht verhelfen, aber dafür stehen andere Träger professioneller Sozialarbeit bereit: der Kanton, die Heilsarmee oder in Basel die Sexarbeiterinnen-Beratungsstelle Aliena .
Allerdings sei sie auch bereit, bei einem Ausstieg unterstützend mitzuwirken, sagt Burgmer. «Wenn eine Frau aussteigen will und schon Hilfe hat, aber gleichzeitig noch eine seelsorgliche Begleitung will, dann bin ich da.»
Die Kirche muss zu den Menschen
Das Pilotprojekt hat über Schweizer Grenzen hinaus Aufsehen erregt. Es folgt der Einsicht, dass die Kirche raus muss zu den Menschen in Not und nicht umgekehrt. Vor allem zu den Menschen, die in harten Realitäten leben, eben im Tabubereich.