Menschen in sogenannt «irregulären» Lebenskonstellationen dürfen nun in ihrer Partnerschaft gesegnet werden. Das ist neu und wird von Rom seelsorgerlich begründet. Es ist ein Schritt auf geschiedene Wiederverheiratete und Homosexuelle zu. Er geschieht auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes.
Der Einbezug in den Segen macht solche Partnerschaften nach römisch-katholischer Lehre nun zwar nicht «regulär», also statthaft oder «normal». Immer noch sieht Rom sexuelle Beziehungen ausserhalb der kirchlich geschlossenen heterosexuellen Ehe als sündhaft an. Aber: Ein Regenbogen-Haushalt darf nun trotzdem zum Altar treten und als Gemeinschaft Segen zugesprochen bekommen. Keinem dürfe der Segen Gottes abgesprochen werden.
Traditionalistische Kreise bis heute homophob
Den Segen, geschweige denn ein Ehesakrament für schwule Paare, hatten die Glaubenswächter immer wieder explizit ausgeschlossen. Zuletzt 2021. Die Vorgänger von Kardinal Victor Fernandez im Amt des Vorstehers der «Kongregation für die Glaubenslehre», wie das Dikasterium früher hiess, waren nämlich Joseph Ratzinger und der nicht weniger erzkonservative Ludwig Kardinal Müller. Mit ihnen wäre hier gar nichts zu machen gewesen. Traditionalistische Kreise sind bis heute homophob.
Die Nichtdiskriminierung gleichgeschlechtlich Liebender wie auch der nur standesamtlich wiederverheirateten Geschiedenen, sie ist aber eine Grundforderung der progressiven Kirchenbasis, nicht nur bei uns in der Schweiz und Nordeuropas. Das wurde zuletzt an der sogenannten Weltsynode im Oktober in Rom bekräftigt. Auf sie folgt nun auch das Schreiben Kardinal Fernandez’.
Die Segnung ist kein Ehesakrament
Das Schreiben namens «Fiducia supplicans», zu Deutsch: «Flehendes Vertrauen», bemüht sich sofort, eine deutliche Unterscheidung zwischen Segnung und Ehesakrament zu machen. Die Segnung eines Paares in «irregulärer Situation» dürfe in ihren Ritualen nicht derer einer Eheschliessung gleichkommen. Dieser bedeutende Unterschied war zu erwarten.
Andere Kirchen sind hier viel weiter. Etwa hat die christkatholische Kirche der Schweiz ihre Liturgie für das Ehesakrament bereits voll angepasst für gleichgeschlechtliche Paare und sie gleichgestellt.
Neues Verständnis von «Segen»
Umso bedeutsamer ist es für die traditionell denkende römisch-katholische Kirche, wenn ihr Dikasterium für die Glaubenslehre heute schreiben kann, dass «die Kirche» ihr Verständnis dessen, was Segen ist, verändert habe. Das sei «eine wirkliche Weiterentwicklung über das hinaus, was vom Lehramt und in den offiziellen Texten der Kirche über die Segnungen gesagt wurde», schreibt Kardinal Victor , Leiter des Dikasteriums für die Glaubenslehre.
Die Amtsträger der Kirche, die Priester und Bischöfe, nehmen sich hier nämlich deutlich zurück. Sie sind nun nicht mehr die, die Gottes Segen verwalten oder verwehren dürfen und müssen. Hier könnte sich ein gewandeltes Verständnis von Priesterlichkeit abzeichnen. Eines, das vielleicht weniger göttlich ist, dafür aber menschlicher.