Die Norweger haben es wieder getan. Sie haben das sogenannte « Slow TV » auf eine neue Spitze getrieben. Der öffentlich-rechtliche Fernsehsender NRK übertrug die Frühjahrswanderung von lappländischen Rentieren – live, 170 Stunden lang .
Bereits 2009 zeigte der NRK eine siebenstündige Zugfahrt von Bergen nach Oslo . Der Sender sorgte damit weltweit für Aufsehen – und fand Nachahmer. Letztes Jahr etwa zeigte das isländische Fernsehen eine 24-stündige Live-Sendung . Dabei fuhr ein Auto zu einem Stück der isländischen Band Sigur Rós einmal um die ganze Insel. Tausende Menschen auf der ganzen Welt schauten zu.
Nicht nur Fernsehsender nehmen den Fuss vom Gas. Auch am Radio lässt sich das Tempo drosseln, und das nicht nur mit Kuschelrock. Mit solchen langen Sendungen experimentiert etwa die BBC.
Im Jahr 2000 las Moderator Stephen Fry acht Stunden lang «Harry Potter und der Stein der Weisen» vor. Ebenfalls acht Stunden dauerte 2015 die Aufführung von Max Richters epischer Komposition «Sleep». Die Musikerinnen und Musiker spielten die ganze Nacht – in Schichten.
Ohne gleich einen neuen Trend ausrufen zu wollen: «Slow Radio» hat Potenzial. Deshalb gibt es hier dreimal Yoga für die Ohren.
Die ausgedehnte Radiowanderung
Der neuste Einfall der BBC: Der Autor und Radiomann Horatio Clare wanderte vergangenes Wochenende durch den hügeligen Süden von Wales – vier Stunden lang. Auf der Tonspur: pfeifende Vögel, blökende Schafe, Clares Schritte und seine Kommentare dazu. Er beschreibt, was er sieht, riecht und fühlt. Dazwischen sind die Stimmen lokaler Künstlerinnen und Schriftsteller zu hören und Musik von walisischen Komponisten. Ein entschleunigender Ausflug, den man online nachhören kann.
Es zwitschert im Wald
Vögel pfeifen und flattern durch die Luft, es raschelt im Laub und eine Biene brummt vorbei: So klingt slowradio.cz . Das tschechische Onlineradio sendet live aus dem Wald – rund um die Uhr. Der Journalist Vaclav Nyvlt hat dazu letzte Woche im Südosten Tschechiens mehrere Mikrofone in einem Baum versteckt. Dass zwischendurch hoch oben ein Flugzeug vorbeirauscht – das ist in der heutigen Zeit eben auch «natürlich».
Die individuelle Mischung
Wer die Geräuschkulisse lieber nicht den Launen der Natur überlässt, dem seien Birdsong.fm oder « Noisli » empfohlen. Bei ersterem zwitschert es konstant und rund um die Uhr. Bei letzterem lässt sich per Knopfdruck einstellen, welches Geräusch man wie laut hören will: Regentropfen, Wellen, das Stimmengewirr eines Cafés oder das tiefe Brummen eines Propellers. Das Versprechen der Macher: Die perfekte Geräuschkulisse erhöhe Aufmerksamkeit und Kreativität. Konsequenterweise gibt es «Noisli» auch als App fürs Smartphone.