Der Blick vom obersten Stockwerk muss faszinierend sein: 110 Meter ragt das Hochhaus in den Prager Himmel. Von weitem sieht es aus wie ein gewaltiges V.
Josef Štulc seufzt nur schwer, wenn er daran denkt. «Das macht die einmalige Silhouette unserer Stadt unwiederbringlich kaputt», so Štulc vom tschechischem Denkmalschutz.
Unesco schreitet ein
Dass die Stadt Prag grosszügig mit den Genehmigungen für Hochhäuser umgeht, könnte jetzt empfindliche Konsequenzen haben: Die Unesco hat einen Brandbrief geschrieben, in dem sie damit droht, die Stadt von der Liste ihrer Weltkulturerbe-Stätten zu streichen. Man sei «zutiefst beunruhigt», heisst es darin.
Der Brief ist als Mahnung gedacht, denn im Prager Rathaus stapeln sich gerade die Anträge für weitere Hochhäuser.
Vom Aufschrei der Unesco-Experten gibt sich die Oberbürgermeisterin Adriana Krnáčová demonstrativ unbeeindruckt: «Ich halte das für nichts Dramatisches», sagte sie unlängst im tschechischen Fernsehen: «Prag ist kein Freilichtmuseum.»
Bewahren oder modernisieren?
Die Denkmalschützer kennen diese Argumente zur Genüge. «Natürlich entwickelt sich die Stadt weiter und natürlich ist moderne Architektur notwendig», sagt Josef Štulc.
Aber es sei wichtig, dass sie sich in die architektonischen Werte einfüge, die Prag seit Jahrhunderten pflege. «Und die wir auch den weiteren Generationen übergeben sollten.»
Die Debatte über die Modernisierung findet er «ermüdend», weil sie sich in stets ähnlicher Weise wiederholt: Mal geht es um Zufahrten zu Tiefgaragen im historischen Zentrum, dann wieder um den Abriss eines denkmalgeschützten Hauses am berühmten Wenzelsplatz.
Inzwischen hat sich auch das tschechische Kulturministerium in den Streit eingeschaltet. Formal ist es nicht zuständig: Baugenehmigungen und Denkmalschutzprojekte obliegen der Stadtverwaltung in Prag.
«Dieser Streit ist sehr unglücklich, gerade für uns in Europa», sagt Dita Limova, die beim Kulturministerium für die Kontakte mit der Unesco verantwortlich ist.
«Eigentlich müssten wir den weniger entwickelten Ländern als Beispiel dienen, wie man sich um seine Denkmäler kümmert und dem Druck von Immobilienentwicklern standhält.»
Plattenbauten statt historischer Gebäude
Josef Štulc, der sich schon seit rund 40 Jahren für den Denkmalschutz engagiert, zieht eine Parallele, die bis in den Kommunismus reicht. «Damals war die Bedrohung für die Altstadt auch real, aber sie kam von anderer Seite», erinnert er sich.
Die Machthaber wollten damals moderne Plattenbauten errichten. Sie konzentrierten sich dabei vor allem auf das Umland, wo die damals allgegenwärtigen Satellitenstädte entstanden.
Aber es gab auch Pläne dafür, ganze historische Viertel im Zentrum abzureissen, weil die jahrhundertealten Häuser damals vernachlässigt und baufällig waren.
Stattdessen sollten auch im Zentrum Plattenbauten entstehen. «Das war ein Alptraum», sagt Josef Štulc. Zum Glück sei diese Debatte längst vom Tisch – aber die Hochhäuser von heute seien so etwas wie eine Fortsetzung dieser düsteren Visionen für die Stadt.
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