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Tag des Welttourismus Ist die grosse Party auf Malle bald vorbei?

Letzten Samstag ging es rund auf Mallorca, aber anders als sonst: Um die 3000 Menschen protestierten gegen den Massentourismus. Die Massen hinterlassen auf Mallorca unübersehbare Spuren.

Das Wichtigste in Kürze

  • Mallorca leidet unter dem Massentourismus. Dieser Meinung sind auch Menschen, die vom Tourismus profitieren.
  • Nicht nur am Ballermann sind die Strände überfüllt. Das Trinkwasser wird knapp, die Müllberge werden zum Problem.
  • Experten sind sich uneins darüber, ob Tourismus nachhaltig gestaltet werden kann.

Letzten Samstag in Palma de Mallorca: Rund 3000 Menschen protestieren gegen die Auswüchse des Massentourismus. Die Spuren waren diesen Sommer auf Mallorca deutlich sichtbar: verstopfte Strassen, Abfallberge, knappes Trinkwasser.

Mallorca im Dichte- und Umweltstress

Ciro Krauthausen ist Chefredaktor der deutschsprachigen Mallorca-Zeitung und lebt seit knapp 11 Jahren auf der Insel. Auch er sieht die Ruhe der Insel bedroht: «Bisher hatte ich noch nicht erlebt, dass es viele Staus gibt, dass die Menschen sich so drängen auf den Strassen, auch die Strände sehr voll waren.»

Die Zahlen belegen Krauthausens persönliche Eindrücke: Geschätzte 100'000 Mietautos sollen in diesem Sommer auf den Strassen der Insel unterwegs gewesen sein, täglich wurden bis zu 800 Flugzeuge abgefertigt. Bis Ende Jahr werden 12 Millionen Touristen Mallorca besucht haben – so viele wie noch nie.

Auch Hoteliers sehen das Problem

Das sind zu viele Touristen. Dieser Meinung sei mittlerweile die Mehrheit der knapp 900'000 Mallorquiner, sagt Ciro Krauthausen. Darunter seien auch Menschen, die vom Tourismus profitieren. Selbst Hoteldirektoren und Taxifahrer sagen: «Das war too much.»

Die Regierung auf Mallorca nimmt die Proteste ernst und hat Massnahmen für einen nachhaltigeren Tourismus beschlossen. Es gilt nach wie vor ein Bauverbot für neue Hotelanlagen. Ausserdem ist vor kurzem ein Gesetz in Kraft getreten, das die Zahl der privaten Ferienwohnungen beschränkt, die beispielsweise über Airbnb vermietet werden.

Vor allem wird ab nächstem Jahr die Touristen-Abgabe verdoppelt. Das Geld soll in den Natur-, Denkmal- und Landschaftsschutz fliessen.

Nachhaltigkeit ist Enkelgerechtigkeit

Doch ist das der richtige Weg zu einem nachhaltigeren Tourismus? Ein Problem mit Massentourismus haben auch andere Orte wie Venedig oder Barcelona.

Der Tourismusforscher Christian Laesser von der Universität St. Gallen hat dazu eine klare Meinung. Er möchte Nachhaltigkeit definieren. Eine Möglichkeit sei die Enkelgerechtigkeit, sagt er. Das bedeutet, dass der übernächsten Generation die gleichen Ressourcen zu Verfügung stehen würden.

Jedoch: «Nachhaltigkeit im Tourismus ist ein Widerspruch in sich. Das hängt schon mit der Mobilität zusammen, die damit verbunden ist.»

Tropfen auf den heissen Stein

Das heisst: Solange wir für weniger als 100 Franken nach Mallorca oder Barcelona fliegen können, bleiben lokale Gegenmassnahmen Tropfen auf den heissen Stein.

Der Branchen-Experte Matthias Leisinger sieht das Thema etwas anders – was nicht erstaunt: Er war beim Reiseveranstalter Kuoni jahrelang für das Thema Nachhaltigkeit zuständig.

Leisinger ist überzeugt, dass Tourismus «nachhaltiger» sein kann: «Was ein Unternehmen machen kann, muss jedes Unternehmen für sich selber definieren. Hotelketten haben andere Möglichkeiten als klassische Reiseveranstalter.» Wenn alle ihre Verantwortung wahrnähmen, könne Tourismus durchaus nachhaltiger sein.

Wachstum versus Nachhaltigkeit

Allerdings sieht Leisinger auch ein Umsetzungsproblem: Die Frage sei, wie das von der Welttourismusorganisation prognostizierte Wachstum von 3 bis 4 Prozent mit Nachhaltigkeit zusammengehen solle.

Die Experten Matthias Leisinger und Christian Laesser sind sich einig: Die Proteste der Menschen auf Mallorca, in Barcelona oder Venedig sind berechtigt und sollten ernst genommen werden. Laut Definition der Welttourismusorganisation ist Tourismus erst dann nachhaltig, wenn er den Bedürfnissen der Einheimischen Rechnung trägt.

Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 27.9.2017, 6:50 Uhr.

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