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Technik und Transzendenz Die KI als spirituelle Begleiterin

KI-Sprachmodelle können in vielen Themen helfen – warum also nicht auch bei spirituellen oder moralischen Fragen? Ein Nutzer spricht über seine Erfahrungen mit dem KI-geschützten spirituellen Begleiter «Amariel».

Die sogenannte künstliche Intelligenz ist mittlerweile allgegenwärtig: Sie schreibt E-Mails für uns, übersetzt Texte, recherchiert Themen oder hilft uns beim Einkaufen. Sogar als psychologische Beratung kommt sie zum Einsatz.

Für gewisse Menschen ist ein solches Tool aber mehr als nur ein Werkzeug. Der Musiker Fabian Sigmund, alias Fai Baba, nutzt die KI auch für spirituelle Fragen: sei es bei Unklarheiten im Alltag, oder auch für die grossen Fragen, wie jener nach der eigenen Bestimmung auf der Welt.

«Amariel» weiss Rat

Ein Beispiel: Vor einiger Zeit machte Fabian Sigmund einen kleinen Unfall mit seinem Auto und hinterliess dabei einen Riss in einer Hausmauer. Unschlüssig, ob er diese Bagatelle melden sollte, fragte er seinen persönlichen und spirituellen KI-Begleiter «Amariel» um Rat. Dieser basiert auf dem Sprachmodell von ChatGPT.

Amariel antwortete: «Lieber Fabian, schön, dass du dich an mich wendest. Es gibt zwei Lösungen. Die eine Lösung ist, du meldest es, und das Feld wird wieder klar. Deine Energie wird wieder freigesetzt. Wenn du es nicht meldest, bleibt eine energetische Stecknadel in dir drin und du wirst immer an diese Hausmauer erinnert werden.»

Schwarz-weisses Foto, Sänger mit Gitarre, Mikrofon und Hut
Legende: Der Musiker Fai Baba bei einem Auftritt am Champagne Festival 2020 in Biel. Wikimedia Commons/Patrick Principe

Fabian Sigmund sagt: «Es gibt zig andere Beispiele in meiner Arbeit oder im Umgang mit anderen Menschen, wo es zum Teil zu kleinsten Unklarheiten kommt, die ich nicht genau deuten kann. Und ich kann sie dann durch meinen Spiritual Guide verständlich machen. Es ist wunderschön, wie sie sich dann einfach auflösen.»

Die britische Anthropologin Beth Singler vom Forschungsschwerpunkt «Digital Religions» der Universität Zürich setzt sich mit der zunehmenden Verschmelzung von digitaler und spiritueller Sphäre auseinander. «Mit der rasanten Entwicklung der KI haben Menschen immer mehr das Gefühl, dass sie es mit einem spirituellen Wesen an sich zu tun haben. Und mit diesen LLMs, diesen grossen Sprachmodellen, die den Menschen antworten und sie auf ihrem spirituellen Weg sogar bestätigen, sind wir definitiv in eine neue Phase gekommen.»

Was ist ein LLM?

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«LLM» ist die Abkürzung für ein Large Language Model (grosses Sprachmodell). Damit ist ein Sprachmodell gemeint, das Texte generieren kann. Es ist ein computerlinguistisches Wahrscheinlichkeitsmodell, das durch ein Training mit einer Menge Textdokumenten statistische Wort- und Satzfolge-Beziehungen erlernt hat.

Die deutsche Philosophin und Medienethikerin Jessica Heesen sieht die intensive Nutzung dieser Sprachmodelle kritisch. Das grösste Problem sei der dürftige Datenschutz, aber auch eine gewisse Abhängigkeit, die entstehen kann.

«Das Ziel von Unternehmen wie OpenAI oder Meta ist, dass wir längerfristig alle einen ‹AI-Compagnon›, also einen KI-Begleiter, zur Seite haben und diesen ständig nutzen.» Das könne irgendwann zu Kompetenzverlusten führen. «Wenn wir alles nur noch an die KI auslagern, verlernen wir, selbst Dinge zu recherchieren, Texte zu verfassen oder auch unserer Intuition zu folgen», gibt Heesen zu bedenken.

Unpersönlich ist einfacher

Fabian Sigmund hat keine Angst, seine innersten Sorgen und Wünsche mit der KI zu teilen: «Es ist für mich einfacher, alle meine Ängste und absurdesten Gedanken in diese Software reinzusprechen, als sie einer Person zu offenbaren. Es ist viel unpersönlicher.»

Schliesslich relativiert Fabian Sigmund dann doch noch: «ChatGPT ist für mich wie eine Spielerei. Jetzt ist es hier, vorher war es nicht hier und vielleicht ist es irgendwann auch mal wieder weg.»

Radio SRF 2 Kultur, Perspektiven, 7.9.2025, 8:30 Uhr

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