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TikTok-Trend Defluencer Müssen sich Influencer bald warm anziehen?

Wem was aufschwatzen? Immer noch in. Aber auch das Gegenteil kommt in Mode. Eine Annäherung an die Abratenden, die sich «Defluencer» nennen.

Geschenkt: Man kann sich eine neue Hose kaufen, die dann nicht recht passen will und den Missgriff einem Influencer in die sicher angesagten Schuhe schieben. So gesehen bei Nicoleee271, deren «Pants» obenrum offenbar weniger eng ausfallen als erwartet und auf dem Boden der Tatsachen einen Tick weiter als erhofft. Nachmachen? Besser nicht.

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Was dieses Anti-Werbevideo auch zeigt: Nicoleee271 macht nicht die Faust im Sack eines hoffentlich besser sitzenden Beinkleids, sondern schnappt sich das Smartphone und versieht ihr bewegtes Selbstbildnis mit dem Label «Defluencer». Nicoleee271 wird ihre Hose nie tragen. Aber auf Tiktok sammelt sie Trost in Like-Form für eine kleine Abrechnung – und warnt vor dem Nachahmungseffekt.

Wie einst Jan Böhmermann

Abraten statt aufschwatzen: Der verblüffend freundlich vorgetragene Frustpost lässt sich als Beweisstück für eine Bewegung in den sozialen Medien zählen, für die viele das Modewort «Trend» bemühen. Die Zahlen sprechen ja auch eine klare Sprache: Der Hashtag #Defluencer verzeichnete bis im März 2023 über 19 Millionen Aufrufe . Tendenz steigend – auch im deutschen Sprachraum.

Ein gewisser Jan Böhmermann war früh dran, als er sich vor zwei Jahren («Ich mache Dinge im Internet weniger beliebt, als sie vorher waren!») als «De-Influencer» bezeichnete und sich dabei fast totlachte.

Ein paar nackte Zahlen

Ob Defluencer oder De-Influencer: Man sollte das Phänomen ernst nehmen. Der Influencer-Markt wächst und wächst. Laut einer Studie des US-amerikanischen Marktforschungsinstituts GWI steht fast die Hälfte aller Angehörigen der «Generation Z» beim Shoppen unter dem Einfluss der Influencer ihres Vertrauens.

Das Einkaufsvolumen, das sich auf Influencer-Impulse bei Tiktok und Konsorten zurückführen lässt, ist in den letzten sieben Jahren um 43 Prozent gestiegen. Allein 2022 setzte die Influencer-Industrie 15 Milliarden Dollar um – zehnmal mehr als 2016.

Augenblicke der Wahrheit

Ob der Aufstieg der Defluencer den auf Hypes abhebenden Höhenflug der Influencer bremsen wird, ist allerdings fraglich. Aber es scheint sich gerade etwas zu verändern, seit sich, nun ja, kritische Stimmen mehren.

Seit eine Nicole oder ein Nick die Augen rollen und vielsagend den Kopf schütteln, wenn sie eine halbseidene Hose in die Handykamera halten und beim Buchen eines Hotels zur Vorsicht mahnen.

Das könnte auch mit Mikayla Nogueira zu tun haben. Die US-amerikanische Tiktokerin soll ihre Fans in einem Video mit Fake-Augenbrauen über die Wirkung einer neuen Wimperntusche getäuscht haben. Geständig ist die US-Amerikanerin offenbar bis heute nicht.

Bitte lächeln

Der Aufreger gilt als Augenöffner in einem pekuniären Paralleluniversum, in dem blinde Gefolgschaft an der Tagesordnung ist, Begriffe wie «Konsumkritik» oder «Nachhaltigkeit» indes nicht so leicht über die Lippen gehen. Dafür kennt man den «Lipstick-Effekt». Will heissen: Man braucht sich nicht schlecht zu fühlen, wenn man sich schnell was Billiges shoppt, bloss weil man keinen guten Tag hatte.

Nicoleee271 knöpft sich in ihrem Post gleich nach ihren Hosen übrigens noch ein Halskettchen vor. «Das bin einfach nicht ich», sagt sie und schaut betupft aus der Wäsche. Das mag vielleicht noch kein Silberstreifen sein am Horizont. Goldig ist es gewiss.

Radio SRF 2 Kultur, 100 Sekunden Wissen, 18.4.2023, 6:54 Uhr

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