Der Wunsch nach Unsterblichkeit ist fast so alt wie der Mensch selbst: Bereits das jahrtausendealte babylonische Gilgamesch-Epos erzählt von diesem Wunsch.
Gilgameschs Streben nach Unsterblichkeit endete allerdings unglücklich. Dennoch klingt dieser uralte Menschheitstraum bis heute immer wieder an – im 80er-Hit «Forever Young» von Alphaville zum Beispiel, oder aktueller bei den Rappern Jay-Z und Bushido.
Wir 1000-Jährigen
Das Suchen und Sehnen nach Gesundheit, Vollkommenheit und Ewigkeit pulsiert in einigen Herzen besonders stark: etwa in jenem von Aubrey de Grey. Der Bio-Informatiker mit Rauschebart ist überzeugt, dass viele der heute lebenden Menschen 1000-jährig oder älter werden.
Dank Technik und Medizin – etwa durch eine regelmässige Erneuerung von Organen – sei es möglich, die gesunde Lebensspanne des Menschen Schritt für Schritt zu verlängern.
Transhumanisten wie De Grey sehen das Altern als eine Krankheit und Sterben als Obszönität. Der Tod müsse bekämpft werden. Transhumanistinnen arbeiten unter Hochdruck an seiner Verzögerung oder gar Beseitigung.
«Wenn wir erst mal unsterblich sind, können wir auch alle anderen virulenten Probleme lösen», erklärt Janina Loh die Motivation hinter diesem Bestreben. Loh hat in Philosophie promoviert und sich auf Roboterethik und Technikphilosophie spezialisiert.
Der Transhumanismus baue auf ein einfaches Prinzip, sagt Loh: «Mehr ist besser. Und zwar mehr von allem: mehr Zeit, mehr Erfahrungsmöglichkeiten und so weiter.»
Wollen wir wirklich ewig leben?
Kann die menschliche Lebensuhr tatsächlich zurückgedreht werden? Bislang sind die Beweise nicht auf der Seite der Transhumanisten. Vielen Medizinerinnen erscheinen die Ansprüche dubios.
Nebst der Machbarkeit stellt sich auch die Frage, ob ewiges Leben überhaupt wünschenswert ist: Was würde sie für die Problematik der Überbevölkerung und der damit verbundenen Platz- und Ressourcenknappheit bedeuten?
Philosophisch gesehen liegt genau hierin die Crux, so Janina Loh. Die Endlichkeit gehört grundlegend zum Menschsein. Erst mit der Endlichkeit gibt es überhaupt die Möglichkeit, einen Anfang zu haben. Beides setze der Transhumanismus leichtfertig aufs Spiel.
Der Mensch als Datensatz
Hinter dem Transhumanismus stecke ein eigentümliches Menschenbild, sagt Loh: «Nach seinem Verständnis ist der Mensch eine unglaublich komplexe Maschine, die mit den richtigen Algorithmen und Methoden durchleuchtet werden kann.»
Wenn der Menschen komplett durchleuchtet ist, könnten unliebsame Daten oder Charaktereigenschaften ausradiert werden, sind sich Transhumanistinnen sicher.
Weil der Mensch auf einen Datensatz reduzierbar sei, könne dieser Datensatz auch auf andere Träger wie eine Cloud übertragen werden. Im Fachjargon wird das «mind uploading» genannt.
Dafür werde zunächst das Gehirn, das als Sitz der Persönlichkeit verstanden wird, vollständig gescannt. «Mit diesem Prozess soll schliesslich eine vollständige Übertragung des menschlichen Geistes auf einen Computer gelingen», erklärt Janina Loh.
Kann der Geist wirklich ohne Körper?
Für ein ewiges Leben bräuchte es in dieser Unsterblichkeitsvision also keinen Körper mehr, der ohnehin als defizitär und gebrechlich angesehen wird, sondern lediglich eine Cloud. Wenn dieser aber der Strom gezogen würde, hätte auch das letzte Stündchen der virtuellen Existenz geschlagen.
Das «mind uploading» bleibt vorerst Fantasie. «Es gibt keinen seriösen Neurobiologen oder klinischen Psychologen, der das ernst nehmen würde», erklärt der Philosoph Johannes Hoff. Die strikte Trennung von Körper und Geist, die diesem Konzept zugrunde liegt, gilt in der Philosophie ohnehin als veraltet.
Logik des Marktes
Der Transhumanismus will die menschliche Evolution mit technischen Mitteln selbst in die Hand nehmen. Dahinter liegen auch ökonomische Interessen: So werden die Entwicklungen primär von profitorientierten Tech-Firmen im Silicon Valley gefördert.
An vorderster Front dabei sind etwa Elon Musk mit seiner Firma Neuralink oder Ray Kurzweil bei Google. Für Johannes Hoff ist die Marktmacht, die transhumanistische Ideen hätten, beunruhigend. Denn aus einer akademischen Debatte heraus seien die transhumanistischen Ansprüche nicht erklärbar.
Geht es bei der technischen Optimierung des Menschen bis zur Unsterblichkeit also bloss um Geld? Janina Loh und Johannes Hoff jedenfalls sind sich sicher, dass der Markt hier Lösungen für ein selbsterfundenes Problem schafft.
Solange wir unsere Schwächen und Verletzlichkeit annehmen können und akzeptieren, dass zum Menschsein auch die Sterblichkeit gehört, sind wir davor gefeit, in alle Ewigkeit virtuell existieren zu müssen.