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Verbier Festival Warum das Schweizer Festival sein russisches Geld loswerden will

Seit Tagen hagelt es Absagen: Konzertveranstalter und Festivals trennen sich vom Putin nahestenden Dirigenten Valery Gergiev. Auch das Verbier Festival, das grösste Klassik-Sommerfestival der Schweiz, hat sich von Gergiev getrennt.

Zudem gab das Festival bekannt, dass es russische Spendengelder zurückbezahlen werde. Kultursponsoring-Experte Pius Knüsel erklärt, welche Abwägungen hinter diesen Schritten stehen.

Pius Knüsel

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Pius Knüsel ist Präsident des Verbands der Schweizerischen Volkshochschulen. Bis 2002 leitete der studierte Germanist das Kultursponsoring der Credit Suisse. Von 2002 bis 2012 war er Direktor der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, bevor er von 2012 bis 2021 als Direktor der Volkshochschule Zürich agierte

SRF: Der russische Musikdirektor des Verbier Festivals Valery Gergiev ist den Forderungen der Veranstalter nachgekommen und zurückgetreten. Was sagen Sie zu dieser Entscheidung?

Pius Knüsel: Gerade in Zeiten der Cancel-Culture, wo sich das Verbieten und Einschränken wieder breitmacht, muss man vorsichtig sein, wenn es darum geht, von Leuten Bekenntnisse einzufordern, damit sie ihre Arbeit machen können.

Der Krieg in der Ukraine, losgetreten von Wladimir Putin, ist aber eine derartige Katastrophe, dass sich diese Frage ganz anders stellt. Und deshalb begrüsse ich diese Entscheidung des Verbier Festivals.

Haltungen, die nichts kosten, haben kein Gewicht.

Was für Abwägungen muss man in so einem Moment als Festival-Veranstalter treffen?

Eine solche Entscheidung kann den Lebensnerv des Festivals treffen, wenn die gekündigte Person ein Besuchermagnet war und Gelder eingebracht hat. Im Falle Verbier war Valery Gergiev zudem viele Jahre freundschaftlich mit dem Festival verbunden.

Aber diese Überlegung wird letztlich relativiert durch eine viel wichtigere Frage: Die Frage der Haltung. Wer Haltung zeigen will, muss auch einen Preis dafür bezahlen. Haltungen, die nichts kosten, haben kein Gewicht und keine Aussagekraft.

Zu den wichtigsten Förderern des Festivals gehört die Neva Stiftung, in der Geld des Putin-nahen Oligarchen Gennadi Timtschenko steckt. Er wohnt in der Schweiz und wird vom Westen sanktioniert. In der Medienmitteilung des Verbier Festivals steht, dass Spenden von Personen, die von westlichen Regierungen sanktioniert wurden, zurückgezahlt werden. Sind damit auch die Stiftungsgelder gemeint?

Ich lese es so, dass damit Timtschenko gemeint ist, und vielleicht auch andere Leute aus dem Umfeld von Putin, die dieses Festival unterstützten. Putin hat in den letzten zwei Dekaden ganz strategisch Kulturdiplomatie betrieben.

Auch bei anderen Festivals gab es von russischer Seite her immer wieder Versuche, Inhalte zu platzieren, um ein bestimmtes Bild von Russland zu vermitteln. In dieser aktuellen Zeit darf und kann so eine Form von Kulturdiplomatie nicht mehr stattfinden. Das muss unser moralischer Anspruch sein.

Putin und Gergiev stehen in einer Ausstellung.
Legende: Putin besucht seinen Vertrauten Valery Gergiev bei einer Ausstellung im Nationalen Verteidigungskontrollzentrum der Russischen Föderation. IMAGO / Russian Look

Ist Ihnen ein vergleichbarer Fall bekannt?

Die Rückzahlung von Spendengeldern aus politischen Gründen ist mir nicht bekannt. Derartige Forderungen gibt es gelegentlich, wenn Leistungen nicht erbracht wurden oder weil man sich auseinandergelebt hat. Aber dass man sagt: «Wir wollen diese Gelder zurückzahlen weil sie kontaminiert sind», das ist ein Novum.

Der Ukraine-Krieg hat einen Grund geschaffen, die Abhängigkeit von der russischen Regierung und von russischen Geldquellen ein Ende zu setzen

Kritik am künstlerischen Leiter des Verbier Festivals Martin Engstroem und seiner Nähe zu Putin gibt es schon seit vielen Jahren. Es gab auch eine Künstlerin, die genau aus diesem Grund das Engagement beim Festival abgelehnt hat. War die Kurskorrektur überfällig?

Diese Kritik am Verbier liegt seit Jahren wie ein Schatten über dem Festival. Ich denke, dass der Ukraine-Krieg jetzt einfach einen Grund geschaffen hat, dem ein Ende zu setzten: Ein Ende der direkten Abhängigkeit von der russischen Regierung und von russischen Geldquellen.

Das Gespräch führte Theresa Beyer.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 01.03.2021, 17:20 ; 

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