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75. Geburtstag Vitus Huonder – Rücktritt einer Reizfigur

Der Churer Bischof Vitus Huonder hat pünktlich zum 75. Geburtstag Papst Franziskus seinen Amtsverzicht angeboten. Wer sein Nachfolger wird, ist unklar. Kritiker des konservativen Bischofs hoffen auf einen Neuanfang im Bistum Chur.

  • Das römisch-katholische Kirchenrecht sieht vor, dass Bischöfe dem Papst mit 75 Jahren ihren Rücktritt anbieten – so auch Vitus Huonder.
  • Seine Kritiker sagen, Huonder habe die Gräben im Bistum Chur mit seinen Äusserungen zur Homo-Ehe und Priesterinnen weiter vergrössert.
  • Viele liberale Katholiken hoffen nun auf einen Neuanfang im Bistum Chur. Eine Schlüsselrolle kommt Erzbischof Thomas Gullickson zu.
  • Wann ein neuer Bischof gewählt wird, steht in den Sternen. Allein die Annahme des Rücktrittsgesuchs durch den Papst kann Monate dauern.

Verkehrte Welt: Nicht Bischof Vitus Huonders Freunde, sondern seine Gegner freuen sich am meisten über dessen 75. Geburtstag. Denn mit 75 Jahren gehören selbst Bischöfe zum Altenteil und müssen ihr Amt abgeben.

Was braucht es zum Bischof?

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Das katholische Kirchenrecht, der «Codex Iuris Canonici», legt genau fest, was ein Bischof mitbringen muss: Er muss männlich, mindestens 35 Jahre alt und mindestens fünf Jahre lang Priester sein. Der Kandidat müsse sich auszeichnen «durch festen Glauben, gute Sitten, Frömmigkeit, Seeleneifer, Lebensweisheit, Klugheit sowie menschliche Tugenden».

Weihbischof Eleganti springt wohl ein

Das römisch-katholische Kirchenrecht sieht vor, dass Bischöfe dem Papst mit 75 Jahren ihren Rücktritt anbieten. Nahezu immer nimmt der Papst diesen an. Ein Verwalter, ein so genannter Diözesanadministrator, übernimmt dann vorübergehend die Amtsgeschäfte.

Voraussichtlich wird Weihbischof Marian Eleganti einspringen. Es könnte aber auch sein, dass Bischof Huonder oder ein anderer Kirchenfunktionär den Übergang managt. Mit dem leeren Bischofssitz, der Sedisvakanz, beginnt dann die Suche nach einem Nachfolger.

Noch bevor Bischof Huonder so richtig in den Tag gestartet ist, hat er heute am Morgen dem Papst seinen Amtsverzicht angeboten. Wie Huonder heute seinen Ehrentag verbringt, will sein Churer Medienbeauftragter Giuseppe Gracia nicht verraten. Woanders ist es üblich, dass die Schäfchen ihrem Oberhirten gratulieren. Und bedauern, dass nun bald der geschätzte Bischof die Bistumsleitung abgibt.

Chur gilt als Problem-Bistum

Nicht so im Falle Vitus Huonder. Er hat es, sagen seine Kritiker, geschafft, was nur wenige für möglich hielten: die Gräben im Bistum Chur weiter zu vergrössern. Egal ob Äusserungen zur Homo-Ehe, zu katholischen Priesterinnen oder zur modernen Liturgie: Vitus Huonder polemisierte, polarisierte und raubte vielen den Glauben an die Nächstenliebe.

Nicht immer waren die Diskussionen fair, auch nicht auf Seiten liberaler Katholikinnen und Katholiken. Nur selten gestanden sie dem Bischof zu, dass dessen konservative Äusserungen keine Privatmeinung, sondern offizielle Lehre der Kirche waren.

Huonder: «(Homo-)Sexualisierung der Kinder»

Oft macht aber der Ton die Musik. Während Huonders Kollegen in der Schweizerischen Bischofskonferenz sich zurückhaltender zum Reizthema Sexualität äusserten, zog Huonder alle Register der Konfrontation: Unverblümt sprach er von «Genderismus» und einer «(Homo-)Sexualisierung der Kinder in Kindergarten und Schule». Während Papst Franziskus Brücken baute, schien Huonder diese niederzureissen.

Viele liberale Katholiken hoffen nun auf einen Neuanfang im Bistum Chur. Eine Schlüsselrolle kommt Erzbischof Thomas Gullickson zu. Der Amerikaner leitet die Botschaft des Vatikans in Bern, die Nuntiatur. Gullickson ist eine Art Headhunter, der Vorschläge für die Huonder-Nachfolge nach Rom meldet. Die Gläubigen in Chur werden nicht gefragt, sie können jedoch Gullickson Vorschläge schicken. Auch Bischof Huonder steht es frei, eigene Vorschläge Rom zu melden.

Schweizer Kardinal Koch mischt mit

Ob der Nuntius auf das Kirchenvolk hört, ist allerdings fraglich: Gullickson gilt als konservativ und zeigte sich den renitenten Gläubigen bislang wenig aufgeschlossen. In Rom berät dann die für die Bischöfe zuständige Behörde, die so genannte Bischofskongregation, über die Vorschläge.

Viele liberale Gläubige setzen auf Kurienkardinal Kurt Koch als Fürsprecher, der in dem Gremium sitzt. Koch weiss um die Schwierigkeiten im Bistum und könnte auf gemässigtere Kandidaten hinwirken. Die Entscheidung liegt aber bei Papst Franziskus: Er teilt dem Domkapitel, einer Art Kabinett des Bistums Chur, drei Kandidaten mit. Davon wählen die Churer Domherren dann einen zum Bischof.

Zeitplan völlig offen

Wann genau das geschieht, steht in den Sternen. Allein die Annahme des Rücktrittsgesuchs durch den Papst kann Monate dauern. Doch liberale Katholiken drücken sowieso auf die Bremse: Ihnen wäre am liebsten, wenn vorübergehend ein vom Papst geschickter Verwalter ein paar Jahre das Bistum leiten und einen Reformprozess anstossen würde.

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