Einem Priester wird vorgeworfen, eine Minderjährige jahrelang sexuell belästigt zu haben. Nun gerät auch Bischof Felix Gmür in Kritik: Er hat die kirchliche Voruntersuchung gegen den Priester eingestellt. SRF-Religionsredaktorin Nicole Freudiger erklärt, was das über den Umgang mit Missbrauch in den Schweizer Bistümern aussagt.
Was wird Bischof Felix Gmür vorgeworfen?
Neben dem Einstellen der kirchlichen Voruntersuchung hat es der Bischof zudem unterlassen, alle Unterlagen zum Fall nach Rom zu schicken. Dies ist im Kirchenrecht Vorschrift. Auch soll das Bistum dem angeschuldigten Priester Dokumente des Opfers weitergeleitet haben, laut der Zeitschrift «Beobachter», die den Fall publik machte , unter anderem Tagebucheinträge des Opfers.
Was sagt das Bistum zu den Vorwürfen?
Das Bistum betont, das Verfahren sei wegen eines Formfehlers eingestellt worden, das Opfer habe von ihm vorgelegte Dokumente nicht unterschrieben. Allerdings räumt das Bistum inzwischen einen Fehler ein: Die Unterschrift wäre in einer Voruntersuchung nicht nötig gewesen. Dass Bischof Felix Gmür die Unterlagen nicht zur Prüfung an Rom weitergeleitet hat, sei ebenfalls ein Fehler gewesen. Er habe dies nun nachgeholt. Auch, dass Dokumente weitergegeben worden seien, sei «nicht korrekt» gewesen, schreibt das Bistum auf Anfrage von kath.ch.
Was sagt der Fall über den Umgang mit Missbrauch in Schweizer Bistümern aus?
Zwar hat das Bistum vieles richtig gemacht, etwa den Priester mit einem Tätigkeitsverbot belegt und den Fall an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Trotzdem zeigt der Fall, dass das Bistum mit der Bearbeitung der Vorwürfe überfordert war. Offenbar wusste weder der Bischof noch der Zuständige für die Untersuchung, wie das Verfahren korrekt abläuft. Mangelnde Professionalität, vor allem in der Personalführung, sei ein generelles Problem in den Schweizer Bistümern, sagen Insider. Dass noch im Jahr 2019 eher dem Priester geglaubt wurde als dem Opfer, ist dennoch erstaunlich. Zumal die Genugtuungskommission den Fall als «schwerwiegend» eingestuft hat.
Was sagt der Fall über kirchenrechtliche Verfahren aus?
Der Fall offenbart einmal mehr auch strukturelle Probleme: Im kirchenrechtlichen Verfahren richten Priester über Priester. Das schaffe eine «Nähe zwischen der beschuldigten Partei und dem Richterkollegium», kritisiert auch Urs Brosi, Generalsekretär der RKZ, dem Dachverband der römisch-katholischen Kantonalkirchen auf kath.ch . Die Unterscheidung zwischen Geweihten und Nichtgeweihten und die damit verbundene Überhöhung der Priester ist eines der Grundprobleme der römisch-katholischen Kirche, wenn es um die Prävention und Aufarbeitung von Missbrauch geht.
Bringt der Fall etwas für die laufende Missbrauchsstudie?
Am 12. September wird die Vorstudie zur Schweizer Missbrauchsstudie veröffentlicht, voraussichtlich noch ohne konkrete Fälle. Wohl aber mit Aussagen darüber, ob Akten zu Missbrauchsfällen überhaupt vorhanden sind. Das ist durchaus spannend: In anderen Ländern und Bistümern hat sich gezeigt, dass es in den Akten grosse Lücken gibt. Diese sind vielsagend: Sie könnten darauf hinweisen, dass etwas vertuscht oder aus mangelnder Professionalität nicht schriftlich festgehalten wurde, wenn etwa ein fehlbarer Priester versetzt wurde. Ob dies auch in den Schweizer Bistümern und Orden der Fall war, darüber könnte die Vorstudie einen ersten Eindruck vermitteln.