Was hinter der BDS-Bewegung steckt: BDS steht für Boycott, Divestment and Sanctions. Die Bewegung existiert seit rund 20 Jahren und ist eine radikale Reaktion auf den Nahostkonflikt. Im Kern geht es darum, den israelischen Staat durch Boykotte politisch, kulturell und wirtschaftlich zu isolieren. Die Bewegung wird als antizionistisch, teils auch als antisemitisch beschrieben. Mehrere europäische Landesregierungen haben BDS offiziell als antisemitisch eingestuft, darunter Österreich oder Deutschland – dort ist BDS seit 2019 verboten.
Warum sich Kulturschaffende immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, sie stünden der BDS nahe: Die Grundfragen seien immer die gleichen, resümiert SRF-Literaturredaktor Simon Leuthold. Wie viel politische Haltung kann von Kulturschaffenden erwartet werden? Welche Haltung darf das sein? Und wie soll man mit jenen umgehen, die von dieser Haltung abweichen? Aktuell häufen sich die Vorwürfe wieder. Da gibt es die endlose Debatte um den Musiker Roger Waters , der BDS offensiv unterstützt. Kürzlich scheiterte die Findungskommission für die nächste Kunstschau «Documenta» – wegen der BDS-Nähe eines Mitglieds. Und nun rumort es deswegen bei der Schriftstellervereinigung PEN Berlin.
Die Vorfälle bei der PEN Berlin: Der österreichischen Autorin Eva Menasse – Sprecherin von PEN Berlin und selbst Tochter eines jüdischen Vaters – wurde zuletzt vom deutschen Verleger Ernst Piper «selbstherrliche Verachtung Israels» vorgeworfen. Der Journalist Paul Jandl kritisierte sie in der NZZ scharf, weil sie Solidarität mit BDS zu leicht entschuldige.
Wie Eva Menasse auf die Vorwürfe reagiert: Sie erklärt, man könne nicht aufgrund einer Unterschrift, die jemand vor Jahren unter eine BDS-Petition gesetzt hat, schlussfolgern, diese Person sei heute antisemitisch gesinnt. Für Menasse sind Rede- und Meinungsfreiheit höher zu gewichten und man müsse abweichende Meinungen zulassen.
Was ihre Kritiker sagen: Sie plädieren dafür, BDS-nahe Leute zu boykottieren: nicht zu Gesprächspanels einzuladen, nicht für Preise zu nominieren und so weiter. Für Eva Menasse greift das zu kurz. In einer Replik, die in der «NZZ am Sonntag» erschienen ist, erklärt sie: Man würde es sich mit diesen vorschnellen Absagen zu leicht machen – und das nur tun, damit man die Gewissheit hat, auf der Seite der Guten zu stehen. Das ziele am eigentlichen Problem vorbei und führe nur zu noch mehr Polarisierung, schreibt Menasse.
Eine verzwickte Situation ohne einfache Lösungen: Vereinigungen wie die PEN Berlin sollten solche Unsicherheiten aushalten und diskutieren, sagt Literaturredaktor Simon Leuthold. «Gerade die Literatur und die gesamte Kulturwelt haben die Aufgabe, da hinzuschauen, wo es wehtut und Diskurse anzutreten und weiterzuführen, statt sie polemisch in Schubladen einzuteilen und abzublocken.» Das Beispiel PEN Berlin zeigt hingegen erneut, warum sich der Kulturbetrieb in der aktuellen Situation mit Stellungnahmen so schwertut.