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«Vorzeigepionier» Sutter Der Schweizer Westernheld, der ein Sklaventreiber war

Der Baselbieter Johann August Sutter brachte es in Kalifornien zu Ruhm und Geld. Nicht wegen des Goldes, wie man lange meinte. Sondern dank illegalem Sklavenhandel.

1834 setzte der Kaufmann Johann August Sutter nach Amerika über. Aus guten Gründen, wie man seit Längerem weiss: «Sutter floh aus der Schweiz, weil ihm ein Schicksal im Schulden- und Konkursgefängnis drohte», sagt die Historikerin Rachel Huber.

Sutter zog nach Westen, fern von Familie und Gläubigern. In Kalifornien erlaubte ihm der mexikanische Gouverneur die Ansiedlung und übergab ihm 1840 etwa 200 Quadratkilometer Land. Dort gründete Sutter seine Privatkolonie «Neu-Helvetien» und später die Stadt Sacramento.

Handel mit Kindern

Auch in Amerika hatte Johann August Sutter geschäftlich zunächst keine glückliche Hand, wie Historikerin Huber herausfand: «Er nahm wieder Kredite auf, um Geschäftsideen zu realisieren. Allerdings ohne Aussicht, die Kredite wieder zurückzuzahlen.»

Doch dann verfiel der Abenteurer auf eine neue Geschäftsidee: Er handelte mit indigenen Sklaven – und fand sogar eine Marktnische. «Sutter hat sich auf den Handel mit indigenen Kindern spezialisiert», sagt Huber.

Aus kalifornischen Archiven hat Rachel Huber historische Quellen gefunden, die dies belegen, und für einen Artikel in der «Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte» zusammengetragen.

So hielt John Chamberlain, Sutters Schmied, damals fest: «Es war für Captain Sutter üblich, indianische Knaben und Mädchen zu kaufen und zu verkaufen.»

Die historischen Quellen zeigen: Auf seinen Ländereien führte sich Sutter wie ein Alleinherrscher, ein Tyrann auf.

Sutter, der Leuteschinder

Der Arbeiter William Joseph vom Volk der Nisenan berichtete: «Parierten seine indigenen Arbeiterinnen und Arbeiter nicht, peitschte Sutter sie in der Mitte seines Forts und an einem Pfahl angebunden aus.»

Der Forscher James Clyman hielt 1845 fest: «600 bis 800 Indianer hält Sutter in einem Zustand völliger Sklaverei.» In der Nacht wurden die Indigenen eingesperrt – in kahle Räume ohne Betten oder Möglichkeiten für die Notdurft.

Die Indigenen waren Zwangsarbeiter, ja Sklaven von Sutter, der sich gerne «General» nannte, es in Wirklichkeit in der regulären Truppe aber lediglich bis zum Leutnant brachte.

Nicht das 1848 auf seinem Land gefundene Gold habe ihm geholfen, seine Schulden zu tilgen, sondern der Handel mit Sklaven, insbesondere mit Kindern, stellt Historikerin Rachel Huber in ihrem Aufsatz fest.

Rachel Huber dokumentiert auch Hinweise von Sutters Aufseher Heinrich Lienhard, dass sich Sutter zu sexuellen Zwecken eine ganze Gruppe von indigenen Frauen und Mädchen gehalten habe.

Geschichtsbild revidieren

Dass Sutter überhaupt im Hinterland von Kalifornien bestehen konnte, sein Gut aufbauen und betreiben konnte, habe mit der indigenen Arbeiterschaft zu tun. Daran gelte es zu erinnern, sagt die Historikerin.

«Ohne die Sklavinnen und Sklaven hätte Sutter nie Erfolg gehabt, und ‹Erfolg› muss man hier auch in Anführungszeichen setzen», sagt die Historikerin.

Rachel Hubers Arbeit hat ein dickes Fragezeichen hinter dem Mythos des «Vorzeigepioniers» Sutter gesetzt. Das verharmlosende Bild vom «Filou» Sutter, dem Bankrotteur, der es in Kalifornien wegen des Goldes doch noch zu etwas brachte, aber im Grunde eben doch «einer von uns» war, dürfte mit diesen neu entdeckten Fakten definitiv ungültig geworden sein.

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