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Gesellschaft & Religion Was macht eigentlich die TV-Nonne Ingrid Grave?

Vor 20 Jahren hat Ingrid Grave die erste «Sternstunden»-Sendung im Fernsehen moderiert. Die Nonne kümmert sich heute in Zürich um «kirchlich Obdachlose». In Zukunft will sie wieder vermehrt in ihrem Kloster in Ilanz leben.

Mit Schleier und in Ordenstracht: Als Aushängeschild der «Sternstunden» und des «Wort zum Sonntag» ist die katholische Ordensfrau Ingrid Grave schweizweit bekannt geworden. «Die Sendung mit der Nonne» wurden die Sternstunden damals genannt. Die Schwester vom Dominikanerorden lebt und arbeitet seit dem Ende ihres Fernsehengagements 2002 als Seelsorgerin mitten in der Zürcher Altstadt.

Video
Ausschnitt aus der ersten Sternstunden-Sendung mit Ingrid Grave vom 28.8.1994
Aus Kultur Extras vom 28.08.2014.
abspielen. Laufzeit 58 Sekunden.

Ingrid Grave wohnt im «Haus zum Palmbaum» aus dem Jahr 1637. Die Evangelisch-reformierte Predigerkirche nutzt das Haus für kirchliche Projekte und vermietet Zimmer privat. Für sich selber beansprucht die Ordensschwester ein einfaches Zimmer und kocht in der Gemeinschaftsküche. Waschmaschine und Trockenraum liegen mehrere Etagen auseinander. Das häufige Treppensteigen hält die Nonne fit.

Vorurteile der Frommen

Im Besprechungszimmer stehen zwei «Sternstunden»-Sessel aus dem alten Fernsehdekor mit dem Sternenhimmel. An die Zeit beim Fernsehen denkt sie gerne zurück und sagt: «Die Frömmsten waren die Schlimmsten». Die hätten sie jeweils gefragt: «Wie passen denn Kloster und Fernsehen zusammen?» Ingrid Grave lacht und meint: «Bei einem Klostermann hätte man diese Frage nicht gestellt.»

20 Jahre Sternstunden

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Am 28. August 1994 flimmerten die ersten Sternstunden über den Bildschirm. Seither haben sich in den Sendungen viele spannende Zeitgenossen die Klinke in die Hand gegeben: Dalai Lama, Umberto Eco, Mohammad Khatami, Noam Chomsky, Pussy Riot und viele andere. Die Sternstunden Philosophie, Religion, Kunst und Musik bleiben auch in Zukunft dran.

In der Zwingli-Stadt Zürich gleist die katholische Ordensschwester ein ökumenisches Projekt auf: Spiritualität für Frauen. Sie gründet eine WG mit Frauen, die berufstätig sind und sich auf spiritueller Ebene begegnen. Damit belebt sie die mittelalterliche Tradition der sogenannten Beginen. Das waren Gemeinschaften von Frauen, die weder verheiratet noch im Kloster waren. Graves Fazit: «Gemeinschaft ist Arbeit, wie in einer Ehe.»

Die nächste Päpstin

Ingrid Grave arbeitet zudem in der ökumenischen Seelsorge und beim Mittagsgebet in der Predigerkirche mit. Sie will vor allem für Menschen am Rand der Kirche da sein, für «kirchlich Obdachlose». Im Quartier ist sie bekannt. «Du bist meine nächste Päpstin», hat ihr unlängst eine ehemalige Prostituierte über die Gasse zugerufen.

Ihrer Heimat, dem Dominikanerinnenkloster in Ilanz, ist sie verbunden geblieben. Das Gebet und Zeiten der Stille pflegt sie auch in ihrem Zürcher Kloster-Exil. Ohne das gehe es nicht, «sonst verflattert man innerlich», sagt Grave. Nun will sie altershalber wieder vermehrt im Kloster leben, in Zürich ein Zimmer behalten.

Neue Räume und Dimensionen

Vor dem Tod hat Ingrid Grave keine Angst. Sie war in den letzten Jahren einmal ernsthaft krank. Da habe sie sich gesagt: «Ich will nicht erst in letzter Minute über das Sterben und den Tod nachdenken, wenn ich den letzten Schnauf tue.»

Dem Tod schaut sie vom Glauben her mit einer gewissen Gelassenheit entgegen. Sie wisse nicht, wie es nach dem Tod sein werde, sagt Grave. Dann lacht sie und meint: «Wenn ich körperlich sterbe, bin ich nicht einfach von allem Leben abgeschnitten. Ich bin davon überzeugt, dass sich neue Räume und Dimensionen auftun, von denen ich nicht weiss, wie sie genau sein werden.»

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