Beruhigung und Entschleunigung: Das dürfte wohl die Absicht der SBB gewesen sein, als sie an verschiedenen Schweizer Bahnhöfen zwitschernde Lautsprecher anbrachte. Denn Naturgeräusche führen dazu, dass wir uns entspannen, wie Nicole Bauer erklärt. Sie ist Umweltpsychologin an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft.
Laut der Wissenschaftlerin sorgt die Wahrnehmung von Naturgeräuschen dafür, dass die körperlichen Stressreaktionen zurückgehen. Das bedeutet zum Beispiel, dass der Spiegel des Stresshormones Cortisol und der Blutdruck sinken.
Entspannender Überlebensdrang
Woher kommt das? Wieso empfinden wir Naturklänge wie Vogelgezwitscher meist als angenehm? Ganz genau könne man diese Frage nicht beantworten, sagt Bauer. «Aber es gibt eine Hypothese, die besagt, dass der Mensch aufgrund seiner evolutionären Geschichte mit Entspannung reagiert, wenn er Naturelemente wahrnimmt, wenn er beispielsweise Vegetation oder Wasser sieht oder Geräusche aus der Natur hört. Und zwar, weil er diese Naturelemente für sein Überleben brauchte.»
Wohl deshalb begegnet einem immer häufiger eine «Zwitscherbox» – in Läden, in Cafés, auf dem WC, bei Bekannten daheim. «Zwitscherboxen» sind kleine Lautsprecher in der Form eines Häuschens mit integriertem Bewegungsmelder. Wenn man daran vorbeiläuft, setzt Gezwitscher ein, das 20 Sekunden lang anhält.
Amseln gehen immer
Das Berliner Unternehmen Relaxound brachte die «Zwitscherbox» 2013 auf den Markt. Als zwei Jahre später der Museumsshop des New Yorker MoMA 800 Stück bestellte, zog der Absatz rasant an. Inzwischen hat das Unternehmen eine Million Stück verkauft, etwa 70'000 davon in der Schweiz. Zwischen 2020 und 2021 stieg der Umsatz hierzulande um mehr als 20 Prozent.
Der Gründer von Relaxound, Philipp Störring, erklärt sich den Erfolg seines Produkts folgendermassen: «Ehrlich gesagt glaube ich, die Future Box ist so beliebt, wie sie bekannt ist. Je bekannter sie ist, desto beliebter wird sie. Je mehr Leute eine Box haben, desto mehr andere Leute sehen sie und möchten sie auch haben.»
Tonangebender Vogel der «Zwitscherbox» ist übrigens die Amsel. Störring hat sich lange mit Vogelstimmen beschäftigt. Krähen, Tauben oder die aufgeregt piepsenden Spatzen seien sofort aus dem Rennen gewesen.
Die Amsel sei seine Favoritin. «Ich habe mich für sie entschieden, weil man spontan hört, dass sie einen besonders angenehmen und wohlklingenden Gesang hat, der einem eigentlich nie auf die Nerven geht.»
Falsche Vögel sind kein Ersatz
Störring hat die «Zwitscherbox» ursprünglich für den Gesundheitsbereich entwickelt, zur Entspannung etwa in Arztpraxen. Er findet, der Einsatz von Naturgeräuschen im öffentlichen Raum habe noch viel Potenzial.
Umweltpsychologin Nicole Bauer stimmt Störring zu. Sie erinnert aber auch daran, dass wir uns angesichts von Artensterben und Klimawandel mit Ersatzlösungen vom Tonband nicht zufriedengeben sollten: «Eher sollten wir etwas dafür tun, dass es auch in Städten Flächen gibt, auf denen diese Arten und damit auch diese Geräusche natürlicherweise vorkommen.»