Von der Schweiz könnten sich andere Länder eine Scheibe abschneiden, was den Umgang mit Kulturgütern angeht, meint Zeynep Boz. Die Archäologin ist Chefin des türkischen Amtes zur Bekämpfung von Kulturschmuggel – und begeistert von der Kooperation mit ihren Schweizer Kolleginnen und Kollegen.
Boz hat den Auftrag, die über Jahrhunderte geraubten, verschleppten und verscherbelten Kulturschätze Anatoliens aus aller Welt in ihre Heimat zurückzuholen. Die Türkin führt ein Team von 30 Expertinnen, das in den Museen und Auktionshäusern der Welt nach anatolischen Kulturgütern fahndet und für deren Rückführung sorgt.
Nicht mit allen Ländern funktioniert die Kooperation: Deutschland und Österreich etwa würden sich drücken, klagt Zeynep Boz. Deren Regierungen würden offenbar befürchten, dass eine Kooperation beim Kulturerbe eine Kettenreaktion auslösen könnte, die eines Tages bis zur Rückgabe des Pergamonaltars aus Berlin und der Friese des Heroons von Trysa aus Wien führen könnte.
Ex-Schmuggel-Hotspot Schweiz
«Mit der Schweiz ist das komplett anders», sagt die Archäologin. Im Gegensatz zu Deutschland, Österreich und Grossbritannien horte das Land zwar keine Kunstschätze aus Anatolien in seinen Museen. Dafür sei die Eidgenossenschaft lange Zeit ein Knotenpunkt für den Schmuggel von internationalem Kulturerbe gewesen.
Doch 2005 habe die Schweiz die gesetzlichen Grundlagen für die Bekämpfung dieses Schmuggels gelegt, sagt Boz. «Und mit der bilateralen Vereinbarung mit der Türkei hat sie nun auch die enge Zusammenarbeit unserer Länder ermöglicht.»
Ein gutes Team
Die Vereinbarung wurde im vergangenen Herbst von Bundesrat Alain Berset und dem türkischen Kulturminister Mehmet Nuri Ersoy unterzeichnet. Anfang Mai trat sie in Kraft. Sie soll das kulturelle Erbe beider Länder schützen und den Schmuggel von Kulturgütern stoppen, der insbesondere den kulturellen Reichtum der Türkei bedroht.
Die Schweizer Gesetze und das bilaterale Abkommen seien die Grundlage der Kooperation, erklärt Boz. Doch mit Leben gefüllt werde diese von dem kompetenten Team der Fachstelle internationaler Kulturgütertransfer im Bundesamt für Kultur.
«Die Schweiz hat wirklich ein sehr gutes Team, aufrichtig und hilfreich», lobt Boz. «Wenn die Fachstelle einmal nicht helfen kann und ein Hilfsersuchen ablehnen muss, sind wir auch nicht böse, weil wir wissen: Wenn sie uns helfen könnten, würden sie es tun».
Wir haben ein richtiges Vertrauensverhältnis aufgebaut.
Die Teams beider Länder versorgen einander mit Tipps und Informationen über Kunstraub und Kulturschmuggel und stehen täglich in Verbindung. «Wir haben mit der Zusammenarbeit schon begonnen, während die Vereinbarung noch ausgehandelt wurde», sagt die Archäologin. «Wir haben ein richtiges Vertrauensverhältnis aufgebaut.»
Es bleibt zu hoffen, dass es auch anderen europäischen Ländern gelingt, ein solches aufzubauen, was den Umgang mit Kulturgütern angeht.