Ausgerechnet während der ägyptischen Revolution fand Heba Khalifa sich als geschiedene, alleinerziehende Mutter wieder. Wie gerne hätte die engagierte Künstlerin diese Zeit in der Mitte des Geschehens verbracht, auf dem Tahrir-Platz, mit anderen für die Freiheit kämpfend.
Stattdessen hiess es für sie die meiste Zeit: Baby stillen, Windeln wechseln, Wohnung putzen. Bei aller Liebe zu ihrer kleinen Tochter: Sie fühlte sich wie in Halbgefangenschaft.
An einen Stuhl gefesselt
Um nicht komplett durchzudrehen, begann Heba Khalifa ihre Gefühle in einer Fotoserie auszudrücken. Realistisch und metaphorisch überhöht zugleich.
Heba Khalifa mit der Gasmaske vor dem Fernseher, ein Kuchenblech in der Hand. Heba Khalifa vor einem Teller voller Steine, den sie auszulöffeln hat. Auf dem plakativsten Foto: das Baby auf dem Schoss, sie mit braunem Klebeband an einen Stuhl gefesselt.
« From the Inside », heisst diese Fotoserie. Auf dem letzten Bild hält sie sich ein auf Papier gezeichnetes Lächeln vors Gesicht. Eine Mutter hat glücklich zu sein.
Heute ist sie glücklich
Nun, sechs Jahre später, braucht sie sich kein Smiley mehr vor den Mund zu halten, um lächeln zu können. Heba Khalifa wirkt unforciert glücklich.
An der Grundsituation hat sich zwar nicht viel verändert. Sie ist immer noch alleinerziehende Mutter, ihre Tochter inzwischen sechs Jahre alt. Sie muss immer noch alles alleine stemmen: Haushalt, Erziehung und Geld verdienen.
Frauen trauen sich über ihre Situation zu reden
Doch die künstlerische Auseinandersetzung mit ihrer gesellschaftlichen Situation, mit dem Frausein, mit ihrem Körper, all das habe ihr Selbstbewusstsein gestärkt.
«Ich habe mich sichtlich verändert», sagt sie. Und mit ihr ein paar weitere Frauen, die sie für ihre folgenden Projekte porträtiert hat.
Die ägyptische Revolution habe etwas aufgebrochen, das sich nicht mehr zurückhalten lasse, sagt Heba Khalifa. Immer mehr Frauen trauten sich seither über ihre Benachteiligungen zu reden.
Vor allem auf sozialen Medien sprechen sie aus, was früher fast undenkbar war: Dass Mutterschaft nicht nur das reine Paradies ist, sondern manchmal die Hölle. Auch für verheiratete Frauen. Dass Frauen ein Recht haben auf ihren eigenen Körper, auf Selbstbestimmung, ein eigenes Leben. «Wir sollten kämpfen.»
Die Magie der Kunst
In Ägypten haben es alleinerziehende Mütter besonders schwer. Heba Khalifa erhält vom Kindsvater keinen Rappen.
Aber ihr Thema sei universell, betont sie. Ob im Libanon, in Singapur oder in den USA – überall, wo sie ihre Fotocollagen schon ausgestellt habe, hätten andere Frauen sich in ihnen erkannt.
Am Anfang habe sie das erstaunt, weil die Fotos so persönlich seien. Doch dann sei ihr klar geworden, dass genau das die Magie der Kunst ausmache: Das ganz Persönliche verwandelt sich in etwas ganz Universelles.
Kulturaustausch in der Schweiz
Heba Khalifas nächstes Projekt ist ihr vielleicht bisher persönlichstes. Sie wird sechs Wochen lang in Winterthur ungewohnt konzentriert daran arbeiten können. Ein Kulturaustausch von Pro Helvetia macht es möglich.
Heba Khalifa will ihre eigene Kindheit aufarbeiten. Hier im Ausland falle ihr das leichter: Als ihre Mutter mit einem Buben schwanger war, gab sie Heba in die Obhut einer Tante. Das Mädchen war weniger wichtig. «Ich fühlte mich nicht geliebt, nicht willkommen.»
Nun möchte die Künstlerin diese Episode verarbeiten und versöhnlich abschliessen. Einen Namen hat sie schon für ihr Projekt: «Disconnected.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 04.09.2017, 17:08 Uhr