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Architekturbiennale 2025 Schweizer Pavillon ist eine Hommage an Architektin Lisbeth Sachs

Was wäre, wenn nicht Bruno Giacometti, sondern Lisbeth Sachs den Schweizer Pavillon in den «Giardini della Biennale di Venezia» entworfen hätte? Das fragt sich das Kollektiv «Annexe», das die Schweiz dieses Jahr auf der Architekturbiennale vertritt.

Lisbeth Sachs war eine der bedeutenden Architektinnen der Schweiz. Ihr Pech: Sie war eine Frau in der Männerdomäne der Architektur. Kaum jemand kennt heute ihren Namen, obwohl sie im Denken ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus war.

Schon mit 25 Jahren gewann sie einen Architektur-Wettbewerb: Ihr Entwurf für das Kurtheater Baden überzeugte, die Umsetzung allerdings verzögerte sich lange.

Lisbeth Sachs am Schreibtisch, Schwarz-Weiss-Foto
Legende: Mit dem Kurtheater Baden hatte Lisbeth Sachs ein nationales Denkmal gebaut. Viele andere ihrer luftigen und organischen Bauten existierten nur auf dem Papier. Zürcher Hochschule der Künste/Alexander Barbey

Als es endlich so weit war, konnte Sachs ihren Entwurf für das Kurtheater Baden nur in Begleitung eines männlichen Kollegen erbauen. Dieser hatte den zweiten Platz im Wettbewerb belegt. Nun lebt eines ihrer Gebäude auf der Architekturbiennale in Venedig wieder auf.

Gebäude im Gebäude

Was wäre, wenn Lisbeth Sachs den Pavillon der Schweiz in der Venedig gebaut hätte, fragte sich das Team aus Architektinnen und Künstlerinnen vom Frauenkollektiv «Annexe», das die Schweiz dieses Jahr auf der Architekturbiennale vertritt.

Den Schweizer Pavillon hatte 1952 der berühmte Künstler Bruno Giacometti entworfen und gebaut – ein Zeitgenosse von Lisbeth Sachs. Übrigens wurde keiner der Pavillons, in denen die Länder Jahr für Jahr ihren Beitrag zur Biennale zeigen, von einer Frau erbaut. «Annexe» möchte auf diese historische Tatsache aufmerksam machen.

Nun treten ihre beiden Gebäude in einer «produktiven Fiktion» miteinander in Dialog: In Giacomettis Backsteinmauern ziehen der Geist von Lisbeth Sachs und ihre temporäre Kunsthalle aus dem Jahr 1958 ein. Die helle, fluide Architektur war im Rahmen der Schweizer Ausstellung für Frauenarbeit entstanden.

Organisch, experimentell, inklusiv

Lisbeth Sachs hatte die Vision, die Landschaft in ihre Gebäude zu holen. Die Wände ihrer Kunsthalle streben von Kreismittelpunkten nach aussen. Sie setzen sich mitunter auch aussen fort. So scheinen sie die Weite zu suchen und lenken andererseits das Publikum nach innen.

Moderne Kunstausstellung in pavillonartiger Struktur.
Legende: Die Idee der Kuratorinnen ist es, die temporäre Kunsthalle, die von Lisbeth Sachs für die Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA) 1958 in Zürich geschaffen wurde, im Schweizer Pavillon wieder aufleben zu lassen. So wollen sie auf die historische Abwesenheit von Architektinnen in den Giardini hinweisen. gta Archiv/ETH Zürich/Lisbeth Sachs

Bildlich zeigt sich darin Sachs‘ Denken: Ihre Architektur sollte Räume schaffen, die allen Menschen zugänglich sind und soziale Teilhabe ermöglichen. Architektur verstand sie als einen organischen Prozess, der alle am Bau Beteiligten einbezieht.

Organisch sind Lisbeth Sachs‘ Bauten in der Form: oftmals rund, zellulär und fliessend. Ein schonender Umgang mit Ressourcen gehörte selbstverständlich dazu. All dies zeigt der Schweizer Pavillon in seiner räumlichen Installation. Eine Soundcollage betont zudem, dass auch im Zuhören für Sachs eine wichtige Qualität lag.

Natürliche und kollektive Intelligenz

Lisbeth Sachs wollte mit ihrer experimentellen und respektvollen Architektur Brücken schlagen, meint das Kuratorinnenteam. Damit ist sie ein perfektes Beispiel für den Geist, der auf dieser Architekturbiennale beschworen wird.

Weitere Pavillions

Um die Herausforderungen der Zukunft, etwa den Klimawandel, zu meistern, brauche es kollektive und natürliche Intelligenz. Dafür stand Lisbeth Sachs in ihrem Denken und Handeln, das heute als zukunftstauglich erkannt wird. Ihre Hürde war es, eine Frau und um Jahrzehnte voraus zu sein.

Biennale-Chefkurator Carlo Ratti betont, dass in diesem Jahr mehr als 250 Frauen die Teams der Ausstellung in Venedig leiten. Die weibliche Komponente sei entscheidend. Der Schweizer Beitrag unterstreicht dies mit seiner Hommage an eine bislang unterschätzte Visionärin des Bauens.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung im Schweizer Pavillion auf der 19. Architekturbiennale in Venedig heisst: «Endgültige Form wird von der Architektin am Bau bestimmt». Die Hommage an Lisbeth Sachs und die gesamte Biennale sind noch bis zum 23. November in Venedig zu sehen. Die Hauptausstellung heisst «Intelligens».

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 12.5.2025, 17:20 Uhr

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