Eine leere Wohnung überzeugte die Jury: Der Schweizer Pavillon erhielt zum Auftakt der internationalen Biennale Architettura in Venedig am Wochenende den Goldenen Löwen als bester nationaler Beitrag.
Die Basler Architektin Charlotte von Moos hat die Biennale bereits gesehen. Im Gespräch erzählt sie, was sie überzeugt – und was fehlt.
SRF: Hat Sie als Architektin der Schweizer Pavillon in Venedig ebenso überzeugt wie die Jury?
Charlotte von Moos: Ja, er hat mich absolut überzeugt und meiner Meinung nach berechtigterweise den Preis der Architekturbiennale gewonnen. Der Schweizer Pavillon ist sehr zugänglich, lebt von Leichtigkeit, Witz und einer grossen Frische.
Ich finde, er hat sogar eine sehr unschweizerische Leichtigkeit. Und macht trotzdem auf Herausforderungen unseres Jobs aufmerksam.
Was macht den Pavillon witzig?
Die Architekten haben eigentlich banale Wohnungsräume als Ansatz genommen. Diese haben sie für ihre Rauminstallation mit Pop-Art-Elementen ergänzt, etwa die Dimensionen einzelner Dinge verändert, verkleinert oder vergrössert. Das funktioniert auf sehr einfache Art, ist aber sehr fotogen und macht Spass.
Auf den zweiten Blick gibt es auch gewisse Verdichtungen zu entdecken, etwa Kunst- und Ton-Installationen. Der Schweizer Pavillon verweist auf die Realität des zeitgenössischen Wohnungsbaus, wo diese weissen banalen Räume, diese «White Cube Räume», zum Standard-Repertoire der Architektur gehören.
Abgesehen vom Schweizer Pavillon: Was ist Ihnen an der Biennale besonders aufgefallen?
Bei den Länderpavillons sticht der englische Pavillon heraus, der auf das Thema Brexit aufmerksam macht: Ein leer gefegter Raum, auf dessen Dach eine Terrasse gebaut wurde, die sinnbildlich die Sicht auf Europa freilässt.
Der Schweizer Pavillon verweist auf die Realität des zeitgenössischen Wohnungsbaus.
Daneben hat mir der chinesische Pavillon sehr gut gefallen. Dort sind untypische und überraschende Projekte versammelt, die sich mit dem Wegzug aus monströs wachsenden Metropolen und dem Bauen auf dem Land auseinandersetzen.
Ausserdem zeigt der finnische Pavillon eine sehr sorgfältige Ausstellung über Bibliotheken als freie Räume. Der israelische Pavillon beschäftigte sich mit der historischen Aushandlung heiliger Stätten wie der Klagemauer in Jerusalem.
Wie ist ihr grundsätzlicher Eindruck der diesjährigen Biennale zum Thema «Freespace»?
Insgesamt zeigt sich, wie viel Freiraum das diesjährige Biennale-Thema «Freespace» ermöglicht. Man kann es sehr leicht und sehr unterschiedlich interpretieren. Das ist vielleicht auch das Problem.
Gesamthaft ist mein Eindruck, dass die Biennale eher schwach kuratiert ist. Es sind sehr gute Architekten und Architektinnen am Werk, aber es fehlt eine gewisse Grundspannung.
Es fehlt der diesjährigen Biennale eine gewisse Grundspannung.
Im Hauptpavillon zum Beispiel finden sich viele bekannte Positionen. Zusammengefügt wurden sie aber auf eine nicht sehr erfrischende Weise, sie erscheinen eher aneinandergereiht. Die Arbeiten sind sehr schön, aber zum Teil kennt man sie auch schon. Die Biennale ist also zum Teil ein Wiedersehen, das zwar Freude macht, aber wenig Überraschungen bietet.
Zeitgenössische Themen wie Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Stadtplanung oder auch die Rolle des Architekten werden trotz dem Thema «Freespace» kaum diskutiert.
Das Gespräch führte Beatrice Kern.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 28.5.18, 17.10 Uhr