Zum Inhalt springen

Architekturbiennale Venedig «Der Sieger-Pavillon hat eine sehr unschweizerische Leichtigkeit»

Eine leere Wohnung überzeugte die Jury: Der Schweizer Pavillon erhielt zum Auftakt der internationalen Biennale Architettura in Venedig am Wochenende den Goldenen Löwen als bester nationaler Beitrag.

Die Basler Architektin Charlotte von Moos hat die Biennale bereits gesehen. Im Gespräch erzählt sie, was sie überzeugt – und was fehlt.

Charlotte von Moos

Architektin

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Charlotte von Moos arbeitete nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich fünf Jahre für die Architekten Herzog & de Meuron und war u.a. für den Bau des VitraHaus in Weil am Rhein zuständig. 2010 gründete sie mit Florian Sauter ihr eigenes Büro Sauter von Moos Architekten ETH SIA GmbH. 2017/2018 war sie Gastprofessorin für Architektur an der TU München.

SRF: Hat Sie als Architektin der Schweizer Pavillon in Venedig ebenso überzeugt wie die Jury?

Charlotte von Moos: Ja, er hat mich absolut überzeugt und meiner Meinung nach berechtigterweise den Preis der Architekturbiennale gewonnen. Der Schweizer Pavillon ist sehr zugänglich, lebt von Leichtigkeit, Witz und einer grossen Frische.

Ich finde, er hat sogar eine sehr unschweizerische Leichtigkeit. Und macht trotzdem auf Herausforderungen unseres Jobs aufmerksam.

Was macht den Pavillon witzig?

Die Architekten haben eigentlich banale Wohnungsräume als Ansatz genommen. Diese haben sie für ihre Rauminstallation mit Pop-Art-Elementen ergänzt, etwa die Dimensionen einzelner Dinge verändert, verkleinert oder vergrössert. Das funktioniert auf sehr einfache Art, ist aber sehr fotogen und macht Spass.

Der Sieger-Pavillon

Box aufklappen Box zuklappen

Das Projekt «Svizzera 240: House Tour» haben Alessandro Bosshard, Li Tavor, Ani Vihervaara und Matthew van der Ploeg (im Bild v.l.n.r.) von der ETH Zürich entworfen.

Das junge Architekten-Team lässt die Besucher durch eine leere, weisse Wohnung mit der Standard-Raumhöhe 240 Zentimeter gehen. Einzelne Teile, wie Türen oder Dielen, sind in ihren Dimensionen verzerrt.

Auf den zweiten Blick gibt es auch gewisse Verdichtungen zu entdecken, etwa Kunst- und Ton-Installationen. Der Schweizer Pavillon verweist auf die Realität des zeitgenössischen Wohnungsbaus, wo diese weissen banalen Räume, diese «White Cube Räume», zum Standard-Repertoire der Architektur gehören.

Abgesehen vom Schweizer Pavillon: Was ist Ihnen an der Biennale besonders aufgefallen?

Bei den Länderpavillons sticht der englische Pavillon heraus, der auf das Thema Brexit aufmerksam macht: Ein leer gefegter Raum, auf dessen Dach eine Terrasse gebaut wurde, die sinnbildlich die Sicht auf Europa freilässt.

Der Schweizer Pavillon verweist auf die Realität des zeitgenössischen Wohnungsbaus.

Daneben hat mir der chinesische Pavillon sehr gut gefallen. Dort sind untypische und überraschende Projekte versammelt, die sich mit dem Wegzug aus monströs wachsenden Metropolen und dem Bauen auf dem Land auseinandersetzen.

Zwei Menschen stehen auf einer Terrasse.
Legende: Leerer Raum, riesige Terrasse: der britische Pavillon mit klar politischem Unterbau. Keystone

Ausserdem zeigt der finnische Pavillon eine sehr sorgfältige Ausstellung über Bibliotheken als freie Räume. Der israelische Pavillon beschäftigte sich mit der historischen Aushandlung heiliger Stätten wie der Klagemauer in Jerusalem.

Wie ist ihr grundsätzlicher Eindruck der diesjährigen Biennale zum Thema «Freespace»?

Insgesamt zeigt sich, wie viel Freiraum das diesjährige Biennale-Thema «Freespace» ermöglicht. Man kann es sehr leicht und sehr unterschiedlich interpretieren. Das ist vielleicht auch das Problem.

Die Architekturbiennale

Box aufklappen Box zuklappen

Die Biennale Architettura in Venedig ist das Gipfeltreffen der internationalen Architekturszene. Sie findet alle zwei Jahre statt, in Abwechslung mit der Kunstbiennale . Das diesjährige Treffen thematisiert «Freespace», Freiraum, und läuft bis zum 25. November.

Gesamthaft ist mein Eindruck, dass die Biennale eher schwach kuratiert ist. Es sind sehr gute Architekten und Architektinnen am Werk, aber es fehlt eine gewisse Grundspannung.

Es fehlt der diesjährigen Biennale eine gewisse Grundspannung.

Im Hauptpavillon zum Beispiel finden sich viele bekannte Positionen. Zusammengefügt wurden sie aber auf eine nicht sehr erfrischende Weise, sie erscheinen eher aneinandergereiht. Die Arbeiten sind sehr schön, aber zum Teil kennt man sie auch schon. Die Biennale ist also zum Teil ein Wiedersehen, das zwar Freude macht, aber wenig Überraschungen bietet.

Ein Junge berührt eine leuchtende Glasskulptur.
Legende: Die Biennale bietet wenig Überraschungen. Positiv fällt etwa der Pavillon von Finnland auf. Keystone

Zeitgenössische Themen wie Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Stadtplanung oder auch die Rolle des Architekten werden trotz dem Thema «Freespace» kaum diskutiert.

Das Gespräch führte Beatrice Kern.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 28.5.18, 17.10 Uhr

Meistgelesene Artikel