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Ausstellung «Corona Call» Kunst in Krisenzeiten: Der Laubbläser wird zum Topspreader

Die Corona-Krise stellt vieles auf den Kopf – auch die Kunst. Die Ausstellung «Corona Call» zeigt, wie Künstlerinnen aus der Krise Kunst machen.

Die Wasserkirche am Zürcher Limmat-Ufer ist aktuell ein Ort der zeitgenössischen Kunst. Im ehemals sakralen Bau sind acht Werke von Künstlerinnen und Künstlern zu sehen. Sie alle haben sich mit dem Shutdown im Frühling 2020 auseinandergesetzt.

Alltägliches wird dabei aussergewöhnlich: Der Künstler Gregor Vogel beispielsweise sammelte unzählige Hinweis- und Verbotsschilder oder Blätter, denen er im Alltag begegnete. Für die Ausstellung im Kirchensaal hat er sie auf ein riesiges, sechs Meter hohes Brett geklebt. «Bitte nur zwei Personen im Laden», «Hier Hände desinfizieren» oder «Ab hier bitte Mund- und Nasenmaske tragen» ist zu lesen.

Stapel mit Schildern
Legende: Der Künstler Gregor Vogel sammelte Hinweis- und Verbotsschilder. Die Schilder dokumentieren die Corona-Einschränkungen. Visarte Schweiz

«Wir heute verstehen das. Wenn sich das jemand in 15 bis 20 Jahren ansieht, wird er denken: ‹Was ist das? Was war da los?›», sagt Co-Kurator Ulrich Gerster. Gemeinsam mit Klara Piza kuratiert er die Ausstellung in der Wasserkriche und dem Kulturhaus Helferei in Zürich.

Die Ausstellung sei dadurch wie ein Archiv der Corona-Zeit, beschreibt Gerster. Eine Aufforderung, sich in dieser Zeit, wo alles stillsteht, zu einer aktiven Auseinandersetzung mit der neuen Situation zu bringen – mit den Mitteln der Kunst.

«Corona Call»: Kunst in der Pandemie

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Visarte, der Berufsverband visuelle Kunst Schweiz, hatte nach dem Shutdown im Frühling 2020 die Kunstschaffenden aufgerufen, sich künstlerisch mit der Krise auseinanderzusetzen. In kürzester Zeit generierte der «Corona Call» einen riesigen Rücklauf: 683 Projekte wurden eingereicht. Eine Auswahl davon wird nun ein Jahr lang an verschiedenen Kulturorten in der ganzen Schweiz gezeigt.

Aktuell findet die Ausstellung «Corona Call» in der Wasserkirche und dem Kulturhaus Helferei in Zürich statt (noch bis zum 24. Mai).

Weitere Ausstellungen sind geplant:

  • 5.6-18.7.2021 Kunstraum Kreuzlingen
  • 30.7.-15.8.2021 Pop-up Space Locarno
  • 3.9.-19.9.2021 M54 in Basel
  • 12.3-8.4.2022 Fondation Louis Moret, Distillerie Morand, Martigny

Mehr Infos gibt's hier .

Bläsermaschine auf Bürostuhl
Legende: Der «Topspreader» von Andreas Fürer, Sonjoi Nielsen und Yangzom Sharlhey erinnert an die scheinbar aussichtslose Situation der Pandemie. Visarte Schweiz

Ein absoluter Blickfang ist der sogenannte «Topspreader»: ein Laubbläser, montiert auf einen drehbaren Bürostuhl. Ist der Bläser in Betrieb, dreht er sich um seine eigene Achse. Die Installation eines Zürcher Künstler Trios erinnert an die scheinbar ausweglose Situation, in der wir uns seit Ausbruch der Pandemie befinden.

56 Tage lang Haare verlieren

56 Tage. So lange dauerte die ausserordentliche Lage im Frühling 2020. In diesen 56 Tagen hat die Künstlerin
Hanga Séra jeden Tag einen Haarbüschel aus ihrer Haarbürste gesammelt und präsentiert sie nun akribisch unter goldenen Datumsplaketten.

Diese lückenlose Dokumentation des Shutdowns ist auch beim markantesten Kunstwerk im Saal Thema, einem begehbaren Holzrahmen. Im Innern ist man umzingelt von grossflächigen, expressiven Schwarz-Weiss Zeichnungen.

Haarbüschel mit Datum angeschrieben
Legende: Die Künstlerin Hanga Séra hat während der 56 Tage der ausserordentlichen Lage im Frühling die Haarbüschel aus ihrer Bürste gesammelt und dokumentiert. Visarte Schweiz

Die Arbeit stammt von Anna Rudolph und sei ein Nachbau ihres Ateliers, erklärt Ulrich Gerster. Am Anfang des Lockdowns hat die Künstlerin ihr ganzes Zimmer mit Papierbahnen überdeckt.

Als Betrachter kann man nun ihre Bewegungen während der Isolation nachempfinden. Die Erinnerungen an die eigene Gefühlslage während dieser ungewissen Zeit folgen unmittelbar.

Kommt diese Ausstellung nicht etwas zu früh?

Überhaupt ist dieser voyeuristische Blick der Ausstellung auf eine nur vermeintlich vergangene, schwierige Zeit aufwühlend. Stellt sich die Frage, ob diese Ausstellung nicht etwas verfrüht kommt – immerhin scheint die Krise noch nicht überwunden.

Weisse Socken die aufrecht wie Skulpturen stehen
Legende: «When Strawberries will grow on trees I will kiss u» von Nicolas Polli drückt die eigene Einsamkeitserfahrung während der Pandemie aus. Zu sehen im Kulturhaus Helferei. Visarte Schweiz

«Mir persönlich gefällt es eigentlich sehr gut, dass wir diese Ausstellung in einer Zeit machen können, wo die Menschen in der Situation auch noch drinstecken», sagt Co-Kurator Ulrich Gerster. «Sie können hierher kommen und setzen sich nicht nur retrospektiv mit der Pandemie auseinander. Sie setzen sich auch jetzt mit ihrer heutigen Situation auseinander», so Gerster.

Auf zauberhafte Weise erlangt man dadurch auch eine gewisse Distanz zur aktuellen Situation. Ein Zustand, den man in ungewissen Zeiten wie diesen sehr gerne annimmt.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 19.4.2021, 08:06 Uhr. ; 

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