Das Wichtigste in Kürze:
- Die Fondation Beyeler in Riehen zeigt rund 200 Fotografien des deutschen Künstlers Wolfgang Tillmans.
- Tillmans begann seine Karriere 1990 in der Techno-Szene. Er ist einer der vielseitigsten Fotografen der Gegenwart.
- Obwohl Tillmans immer wieder andere Motive, Formate und Techniken wählt, ergeben sich zwischen seinen Bildern spannende Bezüge.
Der erste Eindruck in der Ausstellung: Kein Bild hat hier etwas mit dem anderen zu tun. Im Gegenteil, da hängen übergrosse Formate neben ganz kleinen, gerahmte Fotos und solche, die einfach an die Wand geklebt wurden. Oben, unten, nebeneinander, übereinander sind die Bilder aufgehängt.
Es gibt Porträtaufnahmen und Aufnahmen von Naturphänomenen, Stillleben und Landschaftsbilder, Inszeniertes und Schnappschussartiges, berühmte und unbekannte Personen, alte und neue Werke, Abstraktes und Gegenständliches. Alles wild durcheinander.
Nichts ist Zufall
Man müsse die Ausstellung von Wolfgang Tillmans auf zwei Ebenen betrachten, sagt die Kuratorin Theodora Vischer: «Zum einen sind es die einzelnen Bilder, die man anschaut. Dann merkt man plötzlich, dass die Fotografien untereinander in einen Dialog zu treten beginnen. Sie beginnen eine Erzählung zu formen oder betonen Aspekte, die im einzelnen Bild angedacht sind.»
Diese Art des Aufhängens sei Teil der Kunst von Wolfgang Tillmans. Darum war der Künstler an der Ausstellung in der Fondation Beyeler auch wesentlich mitbeteiligt.
Vor drei Jahren hat er begonnen, mit Theodora Vischer die Bilder auszuwählen, und hat dann vor Ort entschieden, wie sie genau gehängt werden sollen.
Kontrastieren und kommentieren
Ein Beispiel: Ein rechteckiges Stück hellblauer Himmel, aufgenommen von unten aus einem Innenhof, hängt neben einem dunkelblauen Nachthimmel, der von einem Blitz durchzuckt wird. Daraus ergibt sich ein Kontrast.
Das wiederum könnte ein Kommentar sein zu einem kleinen Bild weiter links: Es zeigt eine junge Frau an einer Party, mit ekstatischem Gesichtsausdruck.
Die Partyszene, genauer die frühe Techno-Szene um 1990, stand am Anfang von Wolfgang Tillmans' Karriere. Die Bilder von dieser Underground-Kultur, in der er sich auch selber bewegte, haben ihn bekannt gemacht.
Nach und nach sind neue Motive dazugekommen: neben Intimem und Privatem immer wieder auch Politisches, zum Beispiel Bilder von Demonstrationen.
Unverfälschtes Sehen
Zudem hat Tillmans begonnen, mit dem Medium Fotografie zu experimentieren. Er hat mit Fotokopierern gespielt, hat Bilder in der Dunkelkammer gemacht, ohne Kamera, nur mit Fotopapier, Licht und Chemikalien. Seit 2009 fotografiert Tillmans digital.
Sind seine Bilder nachbearbeitet, ist das klar ersichtlich – etwa als knallgrüner Filter. Ansonsten kommt kein digitales Bildbearbeitungsprogramm zum Einsatz, sagt Theodora Vischer:
«Wolfgang Tilmans möchte die Oberfläche unserer sichtbaren Welt zeigen. Er möchte ehrlich bleiben: nicht im moralischen Sinne, aber im Sinne des Sehens.»
Blick für das Besondere
Tillmans will also nahe an die Wahrheit heran, an das Chaos, die Vielfalt, den Detailreichtum unseres Lebens. Seine Bilder zu betrachten, heisst denn auch lernen, genauer hinzuschauen. Die Schönheit im Unperfekten zu entdecken, das Besondere im Alltäglichen. Mit geschärftem Blick taucht man so aus der Tilmanns-Ausstellung wieder auf.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 30.5.17, 7:20 Uhr