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Wim Delvoyes
Legende: Der Kunsttheoretiker Adolf Loos bezeichnete Ornamente als Verbrechen. Delvoye ist gerne kriminell. Tinguely Museum

Ausstellung in Basel Verbrechen, Verdauung, Fäkalhumor: Die Kunst des Wim Delvoye

Die Kunst des Belgiers Wim Delvoye provoziert. Das klingt einfacher, als es ist. Er sagt, Kunst brauche Mut.

Wim Delvoye ist ein Provokateur. Ein charmanter und witziger zwar – aber ein Provokateur. Bekanntlich verkauft sich Skandalöses besser. Aber so einfach sei das nicht, sagt Delvoye. Seine Kunst koste ihn immer wieder Überwindung, er brauche Mut dafür.

Ironie helfe ihm. Wenn er ein Konzept entwickelt, dann muss er selbst also auch darüber lachen können: «Es braucht Ironie, damit man anfangen und die Furcht überwinden kann. Wenn man dann drin ist, gibt es nur noch die Leidenschaft.»

Diese Leidenschaft, diese Ernsthaftigkeit zeigt sich in den Werken, die nun in einer umfassenden Ausstellung im Tinguely Museum zu sehen sind.

Grosse Apparatur mit mehreren Behältern.
Legende: Maschinen werden immer menschlicher, Verdauung inklusive. Tinguely Museum

Gute Kunst stört unsere Sehgewohnheiten

Natürlich sind seine Verdauungsmaschinen auf den ersten Blick belustigend – sofern man ein gewisses Mass an Fäkalhumor mitbringt: Die Maschinen sehen aus wie eine Mischung aus Biochemie-Labor und Waschsalon.

Doch dann beginnt man, über jene biochemischen Prozesse nachzudenken, die tagtäglich in einem selbst ablaufen. Das mag noch nicht gerade ein Kunstgenuss sein.

Aber wenn man darüber nachdenkt, wie heutzutage Maschinen menschliche Funktionen übernehmen, dann ist das erreicht, was gute Kunst kann: Sie stört unsere Sehgewohnheiten, lässt uns die Dinge des Alltags anders betrachten.

Sakraler Betonmischer

Das gilt für so vieles in Wim Delvoyes Werk. Als beste Beispiele stehen hierfür seine Baumaschinen und Werkzeuge, die er aus Stahl oder Holz im Massstab eins zu eins gebaut hat.

Nachbildung eines Betonmischers mit vielen Verzierungen.
Legende: Das Ornament als Verbrechen. Hier als Kunst. Tinguely Museum

Draussen im Park vor dem Museum steht eine Art gotischer Sakralbau. Auf den ersten Blick ein Sakralbau, auf den zweiten Blick eine Betonmischmaschine von verblüffender Ästhetik: aufgebaut aus tausenden gotischen Ornamenten.

Auch dies sei in Zeiten des Modernismus, der klaren, schnörkellosen Linie eigentlich eine Provokation, findet Wim Delvoye und zitiert den Kunsttheoretiker Adolf Loos, der einst das Ornament als Verbrechen bezeichnet hat. «Wir wurden dazu ausgebildet zu glauben, dass Ornamente etwas Kriminelles haben. Ich begann diesen kriminellen Aspekt der Ornamente zu geniessen», sagt er.

Ausstellungshinweis

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Das Museum Tinguely widmet dem beligischen Künstler Wim Delvoye vom 14. Juni 2017 bis 1. Januar 2018 eine Retrospektive.

«Ich absorbiere alles»

Viele der ausgestellten Werke quellen regelrecht über von Ornamenten aus der Gotik, dem Barock, aus der persischen oder indonesischen Handwerkskunst. Überhaupt: Dieses Werk ist voll von Zitaten aus der Kunstgeschichte und der Popkultur.

«Ich absorbiere alles», sagt Delvoye über sich. Er sei ein Plünderer und Aasfresser. Apropos fressen: Die Maschinen, die der Künstler «Cloaca» nennt, fressen ebenso. Die Maschine im Zentrum der Ausstellung, will gefüttert werden. Mitarbeiter des Künstlers geben ihr, was sie verdauen kann: frisches Baguette und Wasser. Damit läuft die Verdauungsmaschine. Und ja: Was hinten raus kommt, stinkt.

Kunstinstallation: Verzierte Strassenabsperrung aus Holz.
Legende: Delvoye hat mit seiner Kunst kommerziellen Erfolg. Nicht nur das hat er mit Jean Tinguely gemein. Tinguely Museum

Kommerz ist ok

Ins Tinguely-Museum passt Maschinenkunst jeglicher Art. Dort, wo die Werke Delvoyes den Maschinen Tinguelys direkt gegenüberstehen, ergeben sich interessante Bezüge – oder auch Kontraste.

Auch Jean Tinguely war zu seiner Zeit ein Provokateur. Einer, der sich wie Wim Delvoye zu vermarkten wusste. Beiden gemein sind Witz, Scharfsinnigkeit, Hintersinn – und der kommerzielle Erfolg.

Wim Delvoye ist das recht: «Ich bin gerne kommerziell, solange ich keine Kompromisse machen muss.» Das hat Wim Delvoye freilich auch nicht nötig.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 14. Juni 2017, 11.30 Uhr.

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