Was sucht ein Nadelbaum auf dem Gemälde eines New Yorker Künstlers? Oder ein Steinbock? Und woher stammt der Skifahrer, der den Betrachter so verschmitzt anschaut?
Es sind Motive, die den jungen Jean-Michel Basquiat, der in den 1980er-Jahren einer der angesagtesten Künstler der New Yorker Kunstszene war, bei seinen vielen Besuchen in der Schweiz inspiriert haben.
Für den Basquiat-Kenner und Kurator Dieter Buchhart ist die Ausstellung in der Galerie Hauser & Wirth in St. Moritz ein ganz besonderer Moment: «Die Schweiz war tatsächlich unglaublich einflussreich und bedeutsam für Jean-Michel Basquiat. Dieser Aspekt wurde bisher noch viel zu wenig beleuchtet.» Neben St. Moritz besuchte Basquiat auch Zürich, Basel und das Appenzell.
Inspiriert vom Engadiner Nachthimmel
Als der Schweizer Kunstsammler und Galerist Bruno Bischofberger auf Basquiat aufmerksam wurde und ihm 1982 in Zürich eine Ausstellung widmete, entstand eine enge Freundschaft zwischen den beiden und Basquiat besuchte Bischofberger regelmässig in St. Moritz. Dort entstanden einzigartige Werke.
Etwa das Werk «See»: eine türkise Fläche mit wellenartigen Symbolen ist umgeben von einem Nadelbaum und Sternen über dunklem Grund.
Dieter Buchhart sagt: «Das ist eines von mehreren Werken, die Basquiat hier in St. Moritz im Haus von Bruno Bischofberger geschaffen hat. Basquiat bezieht sich direkt auf die Landschaft, den See von St. Moritz, die Lärchen, den dunklen Nachthimmel und die Sterne.»
Die Bratwurst hat es ihm angetan
Ein wichtiges Werk, das ebenfalls in St. Moritz entstand, ist «Swiss Son» – Schweizer Sohn. Im Ausstellungskatalog zeigen Polaroidfotos Basquiat auf der Terrasse des Ferienhauses der Bischofbergers. Während Basquiat das Bild malt, spielt er mit den Kindern von Bruno Bischofberger.
Ein weiteres Motiv: die Bratwurst. Immer wieder habe Bruno Bischofberger Basquiat in urchige Beizen mitgenommen, so Buchhart. Die Bratwurst habe Basquiat dermassen beeindruckt, dass er sie später auch in New York immer wieder in seinen Bildern auftauchen lässt.
Und schliesslich hängt in der Ausstellung auch ein Gemälde, das den weiteren Verlauf von Basquiats Karriere massgeblich prägen sollte. Der Künstler malte es bei einem seiner Besuche in St. Moritz zusammen mit Cora, der Tochter von Bruno Bischofberger.
Basquiat x Warhol
Da ist ein Elefant zu sehen. Daneben ein kleines Mädchen und grinsende Fratzen. Diese Kollaboration soll Bruno Bischofberger dermassen fasziniert haben, dass er Basquiat und Andy Warhol, ebenfalls ein Freund der beiden, später ermutigt haben soll, zusammen Bilder zu malen. Etwa 150 Werke sind so entstanden. Also über ein Zehntel von Basquiats Gesamtwerk.
Der Einfluss der Schweiz in Basquiats Werk ist also ungemein gross. In keinem Land war der Künstler häufiger zu Besuch. Kurator Dieter Buchhart versucht schliesslich, diese Liebe Basquiats zur Schweiz zu erklären: «Was er hier fand, war die Langsamkeit des Seins. Wo man zurückgeworfen wird auf ganz andere Dinge als jene in einem ständig hektischen, von Geschwindigkeit bestimmten New Yorker Alltag. Diese Kombination machte den Einfluss so bedeutsam.»