Es gibt in der Gegenwartskunst keinen Künstler, dessen Bilder eine solche Wertsteigerung erfahren haben wie die des US-amerikanischen Malers Jean-Michel Basquiat. Als erster schwarzer Künstler schaffte er es in den frühen 1980er-Jahren vom Strassenkünstler zum Liebling des Kunstmarktes.
Es folgte eine internationale Karriere – und dies innert kürzester Zeit. Denn bereits 1988, mit nur 27 Jahren, stirbt Basquiat an einer Überdosis Heroin. In diesen sieben Jahren entstand ein unglaubliches Gesamtwerk von über 1000 Bildern und Zeichnungen.
Alle wollen die «Marke Basquiat» besitzen
Die Fondation Beyeler zeigt nun acht von Basquiats Bildern in einer Ausstellung. Das ist nicht viel, doch diese acht Bilder haben eine Geschichte, die exemplarisch ist für Basquiats globalen Erfolg.
Seine direkte und prägnante Bildsprache verstehen alle, und vor allem die Superreichen von New York bis Tokio wollen die «Wertschrift Basquiat» besitzen. Im europäischen Raum gibt es wahrscheinlich auch nur ein Museum, das sich eine solche Ausstellung leisten kann: die Fondation Beyeler mit ihren potenten Sponsoren und ihrem internationalen Netzwerk, das seinesgleichen sucht.
Die 8 gezeigten Basquiat-Bilder in der Fondation Beyeler
Das Museum hat aktuell eine Ausstellung rekonstruiert, die Basquiat 1982 in einer Galerie in Modena hätte haben sollen – die aber nie stattfand. Grund dafür waren Streitigkeiten zwischen seiner Galerie, seinem Auftraggeber und sein stetig ansteigender Ruhm.
Der junge Star hatte im Auftrag des italienischen Galeristen Emilio Mazzoli in einer Woche acht Leinwände gemalt – und reiste trotzdem ohne Ausstellung frustriert wieder ab. Basquiat hielt die Bilder eigentlich nie für besonders gut. Dennoch ist mit den «Modena Paintings» ein Mythos entstanden, der bis heute eine Ausstrahlung auf den Kunstmarkt hat.
Geduldiger Schweizer Kunsthändler
Die Bilder kamen alle in ein Depot in Rom. Hier beginnt der grosse Auftritt des Schweizer Kunsthändlers Bruno Bischofberger. Der damals 42-jährige Zürcher, der die Hälfte seiner Zeit in New York verbrachte, hatte es schon auf wundersame Weise geschafft, Andy Warhol unter Vertrag zu nehmen und ein Erstverkaufsrecht auf neue Werke auszuhandeln.
Basquiat sollte sein neuster Coup werden, doch der war noch bei einer New Yorker Galerie unter Vertrag. Es ist wie beim Fussball: Auf die besten Talente wollen alle ihre Hände legen. Bischofberger musste sich gedulden.
Eine der ersten Basquiat-Ausstellungen in Europa
Seine Chance kam mit den noch unverkauften Bildern aus Modena. Er reiste nach Rom und kaufte vier der acht Bilder. Dafür kratzte er, wie Bischofberger rückblickend sagt, alles Geld zusammen, das er damals kriegen konnte.
Für jedes der 2 x 4 Meter grossen Bilder bezahlte er rund 5000 Dollar. Damals viel Geld für einen noch unbekannten Künstler, aber wahrscheinlich die folgenreichste Investition in Bischofbergers Karriere. Die Leinwände kamen zusammengerollt in Zürich an, und Bischofberger machte eine der ersten Basquiat-Ausstellungen in Europa.
Zwei der Bilder hätte er bald weiterverkauft, meint Bischofberger heute. Damals noch für ein paar Tausend Dollar. Das teuerste je zu Basquiats Lebzeiten verkauft Bild habe er kurz vor Basquiats Tod für 25’000 Dollar an einen damals noch jungen französischen Sammler verkauft, der heute ein Museum an der Côte d’Azur besitzt.
Verkauf an Metallica-Mitglied
Doch nach Basquiats Tod brach auch der Kunstmarkt ein. Alle Malerstars der 1980er-Jahre waren plötzlich nichts mehr wert: Julian Schnabel, Francesco Clemente, Jeff Koons. Was wäre mit Basquiat passiert, hätte er noch gelebt?
Erst Mitte der 1990er-Jahre stiegen die Preise wieder. Bischofberger verkaufte einen grossen Basquiat für 300’000 Dollar. Ein weiteres Bild der Modena-Serie, «Profit 1» (1982), ging an Lars Ulrich, den Schlagzeuger der Metalband Metallica. Dieser hatte Bischofberger bekniet, es kaufen zu dürfen.
Ulrich behielt das Bild aber nicht allzu lange. 2002 wurde es durch das Auktionshaus Christie’s für 5,5 Millionen verkauft. Seither war es nicht mehr auf dem Markt, und bis vor kurzem wusste niemand, wer das Bild damals gekauft hatte.
Ein Shootingstar par excellence
Das Bild «Profit 1» ist zentral in Basquiats Werk. Nicht nur, weil es überdimensional gross ist, sondern auch, weil es Basquiats Aufstieg in der Kunstszene thematisiert und seine immer wiederkehrenden Symbole über Rassismus, Geldgier, Berühmtheit und die Kunst der Strasse zeigt.
Denn dort kam er her. Noch ein Jahr bevor das Bild entstand, lebte Basquiat völlig mittellos auf der Couch seiner Freundin. Er war als Graffitikünstler SAMO auf den Strassen New Yorks unterwegs und verkaufte Postkarten für 5 Dollar das Stück an Passanten.
Wie er innerhalb eines Jahres zum Insidertipp in der Kunstszene und bald darauf zum international herumgereichten Künstler wurde, weiss man bis heute nicht so genau. Sicher ist: Der damalige Kunstmarkt gierte nach neuer Ware – und Basquiat erfüllte als junger wilder Aussenseiter, der nach Authentizität roch und der den Markt bedienen konnte, alle Wünsche.
Von der Couch in das eigene Loft
Seine erste Bekanntheit erlangte er durch die New Yorker Underground-Szene, wo er mit Musikerinnen wie Madonna durch die Nächte zog und Partys organisierte. In einer damals aufsehenerregenden Ausstellung über New Yorks New-Wave-Szene waren seine ersten Kritzeleien zu sehen, die schon bald auffielen.
Von da an tauchte sein Name, vermittelt durch junge Kuratoren, in der Kunstwelt auf. Basquiat wurde erst zum Underground-Geheimtipp, bald schon zum Kunstmarktliebling. Er zog von der Couch seiner Freundin in ein eigenes Loft, wo er den Lifestyle eines jungen, zu schnell aufgestiegenen Stars leben wird.
800 Millionen Versicherungswert
Basquiat war sich bewusst, dass er als junger schwarzer Künstler in eine von weissen Händlern dominierte Kunstwelt eindrang und alle sich plötzlich um seine Werke rissen. Kaum 21 Jahre alt, scharten sich die angesagten Galerien um ihn. Bis heute halten sich Gerüchte, wie man Basquiat die noch nassen Leinwände aus den Händen riss, um sie dem nächsten Käufer anzubieten.
Wenn man heute durch die Ausstellung in der Fondation Beyeler geht und darüber nachdenkt, dass die Versicherungssumme für alle Bilder 800 Millionen betragen soll, wie das mehrfach kolportiert wurde, dann fragt man sich schon: Kann jedes dieser Bilder 100 Millionen Dollar wert sein? Und wird diese Ausstellung, die zum ersten Mal alle Modena-Bilder an einem Ort vereint, den Wert noch steigern?
Die illustre Runde auf Instagram
Ein Foto auf Instagram hält da vielleicht ein paar Antworten parat. Auf dem privaten Account des Immobilientycoons und Sammlers Aby Rosen posiert ein Teil der heutigen Besitzer. Aby Rosen hat nicht nur teure Kunst in seinem Portfolio, sondern hält Häuser an der Bahnhofstrasse in Zürich und gehört zu den ganz grossen Playern auf dem New Yorker Immobilienmarkt.
Neben ihm steht Alberto Mugrabi aus der Textilhändler-Familie Mugrabi, der mit seinem Bruder die grösste Sammlung von Warhol-Kunstwerken besitzt. Dann ist da noch Joe Nahmad, jüngster Sprössling einer amerikanischen Kunsthändler-Familie, die ihre Sammlung auch schon im Kunsthaus Zürich ausstellte und anscheinend die grösste Anzahl Picassos im Zollfreilager in Genf lagert.
Nicht auf dem Bild, aber laut dem Newsportal «Artnet News» auch Teil dieser illustren Runde, ist Urs Schwarzenbach, Besitzer des Luxushotels The Dolder Grand in Zürich. Das sind ein paar der heutigen Besitzer der Modena-Serie.
Spielball der Superreichen
Waren die Basquiats in den 2000er-Jahren noch für tiefe einstelligen Millionen zu haben, stiegen die Preise ab 2010 ins Unermessliche. Basquiat wurde wiederum zum Spielball des Marktes, diesmal unter den Superreichen.
Die Familie Mugrabi ersteigerte 2015 das Bild «The Field Next to the Other Road» (1982) für knapp 37 Millionen Dollar. Ungefähr gleich viel bezahlten die Nahmads 2021 für «The Guilt of Gold Teeth» (1982). Eine Klimax erreichte der Basquiat-Hype, als der japanische Onlineshop-Besitzer Yusaku Maezawa für ein Basquiat-Werk 110 Millionen Dollar hinlegte.
Und Bruno Bischofberger? Bereut er es, seine Bilder zu früh verkauft zu haben angesichts der unermesslichen Preise, die heute herrschen? Ein bisschen wurme es ihn schon, obwohl er auch schon Bilder für zweistellige Millionenbeträge verkauft habe. Aber er freut sich, alle Bilder wieder zusammen zu sehen und den Stein zu Basquiats globalem Erfolg ins Rollen gebracht zu haben.
Das Bild «Profit 1», das Bischofberger damals dem Metallica-Schlagzeuger Ulrich verkaufte und dann von der Bildoberfläche verschwand, ist jedenfalls heute wiederzusehen. Und weit gereist ist es auch nicht. Denn wie wir jetzt wissen, gehört es einem Basler Pharmakonzern, der es damals auf der Auktion ersteigert hatte. Das Bild wird wahrscheinlich nicht mehr als Dekoration in den Büros hängen, sondern angesichts der Preisentwicklung irgendwo sicher aufbewahrt.