Vor 100 Jahren sprengten die Dadaisten sämtliche Gattungsgrenzen und erhoben den Anspruch, die vermeintliche Trennung von Kunst und Alltag aufzuheben. Sie lassen Notenständer sprechen oder Mikrofone singen. Welche Rolle spielt Dada in Ihrer Arbeit?
Cathy van Eck: Dada ist Inspiration. Eine Kunstströmung, über die ich viel gelesen habe. Davon schwingt wohl etwas mit, das ich unbewusst in mein eigenes Werk integriert habe. Aber ich nehme nicht direkt Bezug darauf. Ich würde auch nicht sagen, dass ich mit meinen Arbeiten Dada eine Referenz erweise. Eine Grenze zwischen «Kunst» und «Alltag» würde ich selber nie ziehen, deshalb kann ich sie auch nicht aktiv aufheben.
Auf der Bühne des Cabaret Voltaire performten Sie «Song No 3». Vor ihrem Gesicht haben Sie einen Lautsprecher montiert, der wie eine Maske wird. Was geschieht da?
In den Händen halte ich ein Mikrofon. Je nach dem, wie nahe ich dieses an den Lautsprecher vor meinem Kopf führe, kriegt es ein lauteres oder leiseres Signal. Die Lautstärke des Mikrofonsignals kontrolliert die Klangprozesse im Computer. Die dadurch entstehenden Klänge unterscheiden sich und sind mal mehr oder mal weniger gesangsähnlich. Meine Gesten und die Bewegung des Mikrofons bestimmen, was auf der klanglichen Ebene geschieht.
Wird Ihre Arbeit häufig mit Dada in Verbindung gebracht?
Es gibt immer wieder Reaktionen in diese Richtung. Als ich eine Arbeit mit kegelförmigen Trichtern gemacht habe, kam beispielsweise der Hinweis, die sähen ja genau so aus wie Hugo Balls Kostüm. Derartige Formanalogien sind interessant. Realisiert habe ich diese jedoch erst, nachdem ich von Aussenstehenden darauf aufmerksam gemacht wurde.
In meinen Performances geht es nicht darum, dass man ein bestimmtes Musikinstrument beherrscht und dafür die vergangenen 20 Jahre geübt hat. Mir geht es um die Materie an sich. Und darum, dass auch Klänge etwas Semantisches haben. Wie in «Song No 3»: Obschon nie gesprochen wird, ist der Klang sprech- und gesangsähnlich – auch da gibt es eine Beziehung zur Lautpoesie und zum Dadaismus.
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Was fasziniert Sie an den Dadaisten?
Wie es den ihnen gelang, neue Figuren und eine neue Bühnensprache zu entwickeln. Toll, was da alles auf der Bühne geschehen konnte. Wie sie Dinge kombinierten und unterschiedliche Ebenen verbanden – wie etwa ein auf der Bühne platziertes Telefon, das klingelte und sich jemand von «aussen» einschaltete und zum anwesenden Publikum sprach. Dieser Live-Aspekt und die Performances faszinieren mich und spielen auch in meiner Arbeit eine wichtige Rolle. Heute ist das vielleicht nichts Besonderes mehr, doch damals war das komplett neu.