Die Dadaisten wollten Vieles, aber sicher kein Museum. Ein Teil von «Dada-Data» ist das Dada-Depot – ein Anti-Museum. Wie schafft man es, dem Geist von Dada gerecht zu werden?
David Dufresne: Das «Dada-Depot» war der schwierigste Teil. Wir nennen es Depot, weil es kein Museum ist. Es ist wie der Keller eines Museums. Wenn man das Depot betritt, wird es für jede Userin anders aussehen. Die einzige Ordnung ist der Zufall. Das ist eine Neuinterpretation von Dada. User können mit Dada-Werken aus dem Depot spielen. So ist alles permanent im Wandel.
Zusätzlich zu diesem Zufallsprinzip gibt es weitere Aspekte, die uns wichtig sind. Wir beziehen beispielsweise viele Werkbeschreibungen aus Wikipedia. Das ist ein politischer Entscheid. Denn: Wikipedia ist eines der besten Beispiele für das freie Internet – auch wenn es Kritikpunkte gibt.
Ausserdem haben wir im «Dada-Depot» Interviews mit Greil Marcus versteckt. Er hat das wohl aussergewöhnlichste Buch zur Punk-Bewegung, zu Dada und den Situationisten geschrieben («Lipstick Traces»). Greil Marcus spricht im Depot über unsere Multioptions-Gesellschaft, unsere gesellschaftliche Verantwortung. Und spannt so den Bogen von Dada damals ins Heute.
«Dada-Data» findet aber nicht nur im Internet statt: Da gibt es beispielsweise «Die Wache» – eine begehbare Installation, die Halt macht in verschiedenen Museen und Institutionen weltweit. Was erwartet mich in «Die Wache»?
Anita Hugi: Wenn man die Installation «Die Wache» betritt, sieht man einen Bildschirm. Man legt sein «digitales Gehirn», das Smartphone, in eine Box und verbindet sich mit einem Programm. Die Box wird dann auf dem Bildschirm zum Kopf einer digitalen Marionette, die durch Bewegungen des Besuchers gesteuert werden kann.
Ausserdem: Die Marionette hängt an Fäden. Jeder Faden wird von einem der Internet-Giganten Google, Apple, Facebook, Amazon geführt. Ein Spiel beginnt – gegen die eigene Abhängigkeit von diesen Grosskonzernen.
So werden in «Die Wache» die persönlichen Datenspuren im Netz visualisiert. Die User sehen also, welche Daten man preisgegeben hat – bewusst oder unbewusst. Vielleicht geht die Eine oder Andere danach nach Hause und hat das Bedürfnis bewusster mit den eigenen Daten im Netz umzugehen.
Wie schätzen Sie die Abhängigkeit oder Unabhängigkeit der Menschen im Netz ein?
Anita Hugi: Wir sind alle auf irgendeine Weise Marionetten. Es ist eine Illusion, dass wir frei sind. Aber vielleicht schaffen wir uns ein wenig Spielraum, in dem wir einen der Fäden im realen Leben kappen. Ein Leben ohne Amazon oder ohne Facebook, damit man wenigstens eine Hand frei hat, um wie ein freier Mensch zu handeln.
Die Marionette ist übrigens eine digitale Umsetzung von Sophie Taeuber-Arps Puppe «die Wache». Die Künstlerin hat die Puppe als Reaktion auf den Ersten Weltkrieg entwickelt, einem Krieg, in dem der Einsatz von moderner Waffentechnik ganz neue Dimensionen von Brutalitäterreichte.
David Dufresne: Ausserdem fühlen wir uns auch dazu verpflichtet über Dada aufzuklären. Die wenigsten haben einegenaue Vorstellung davon, was Dada alles ist. «Die Wache» ermöglicht, dass man auf der Strasse Kontakt zu Dada bekommt. Die Leute betreten die Installation «Die Wache» und stellen fest: Ach, das ist Dada!