Gut gelaunt und mit tatkräftigen Schritten läuft Christo in den Garten der Fondation Beyeler in Basel. Er wird mit Blumen begrüsst, die er lässig und mit einem verschmitzten Lächeln entgegennimmt. Der Verpackungskünstler ist eben 81 Jahre alt geworden und kein bisschen müde.
Sein Elan und seine Begeisterung für die Kunst sind ungebrochen. Im Garten der Fondation Beyeler soll der alte Meister die Sammler begrüssen und die Collector’s Edition zur Kunstinstallation «The Floating Piers» vorstellen.
Das erste Werk ohne seine Frau
Das Buch ist ein Rückblick auf die Kunstinstallation, die Christo im Jahr 2016 realisierte. Es ist das erste Werk, das der Künstler ohne Jeanne-Claude vollendete. Klar, sind viele Emotionen damit verbunden.
Kunst muss die Leute berühren. Das war Christos Frau wichtig. «Unsere Kunst steht nur für die Freude und Schönheit», pflegte die Grande Dame zu sagen.
Das Buch «The Floating Piers», das Einblicke in die Welt des Künstlers und den Entstehungsprozess der Kunstinstallation gibt, ist auch eine Hommage an seine im Jahr 2009 verstorbene Frau.
Keine Genehmigung, keine Kunst
Die Idee, Wege über Wasser zu bauen, entstand bereits in den 1970er-Jahren und bezauberte das Künstlerpaar. Zunächst hatten Christo und Jeanne-Claude das Projekt in Argentinien und Japan angedacht. Doch sie erhielten keine Genehmigung.
Im Jahr 2016 sollte es endlich gelingen – auf dem Lago die Iseo. Ein Ort, den Christo als ideal bezeichnet. Der Künstler erinnert sich gerne an das besondere Erlebnis, das er empfand, als er zum ersten Mal barfuss über die schwimmenden Stege lief.
Weg ohne Ziel
«Die Leute besuchen Freunde, sie gehen einkaufen, erledigen viele Dinge und dann plötzlich kommt ein Weg, der kein Ziel mehr verfolgt. Das einzige Ziel, das dieser Weg vermittelt, ist das neue Gefühl unter den Füssen. Viele Leute haben ihre Schuhe ausgezogen, weil sie plötzlich gemerkt haben, dass sie dieses Gefühl geniessen. Es war sinnlich und sexy», sagt er Künstler und lacht. «Vor allem aber war es ein einmaliges Erlebnis. Genau so muss das sein. Ich mag es nicht, Kunst zu reproduzieren.»
Hungern, arbeiten, treppensteigen
Auf sein Alter angesprochen, betont Christo, dass er sehr auf seine Gesundheit achte. «Tagsüber arbeite ich jeweils mit leerem Magen. Das macht mich viel energievoller», sagt der Künstler.
«Zuhause arbeite ich jeden Tag 14 bis 15 Stunden am Stehpult. Ich verzichte auf Fahrstühle und nehme nur Treppenstufen. Zuhause sind es insgesamt 90. Die nehme ich täglich mindestens 25 Mal (lacht). Ich mag es einfach, nicht zu sitzen – das ist alles.»
Scheitern bis der Scheich kommt
Auf sein nächstes Projekt angesprochen, kommt der Altmeister ins Sprudeln. In der Wüste von Abu Dhabi soll eine riesige Skulptur aus 400‘000 Ölfässern entstehen. Mastaba, so nennt sich das Werk, soll grösser als die Pyramiden von Gizeh und eine permanente Installation werden. Christo nennt es auch sein Lebenswerk.
«Es ist das Projekt, an dem wir vermutlich am längsten gearbeitet haben», erklärt er und erzählt, wie er immer wieder an den nicht genehmigten Bewilligungen scheiterte. Bis er über einen Freund einen Scheich kennenlernte. «Es braucht den Zufall und ein bisschen Glück», ist Christo überzeugt.
Mastaba wird schon heute als das «achte Weltwunder» bezeichnet und wird mit seinen geschätzten 340 Millionen US-Dollar das vermutlich teuerste Kunstwerk der Welt.
Sendung: SRF 1, Kulturplatz, 21.06.2017, 22:25 Uhr