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Chinesische Webserie Wieso holt sich ein Teekannen-Video 270 Millionen Views?

Die Serie «Flucht aus dem British Museum» treibt Rückgabeforderungen chinesischer Kunstwerke an. Steckt Peking dahinter?

Worum geht es in der Webserie? Im Video sucht eine menschgewordene Teekanne den Weg nach Hause, nach China. Dazu bittet sie einen chinesischen Journalisten in London um Hilfe. Dem Teekannenmädchen ist die Flucht aus dem British Museum gelungen. So lautet auch der Titel der Serie: «Flucht aus dem British Museum». Die dreiteilige Miniserie ist eine süsse Liebesgeschichte, in deren Kern es um ein chinesisches Artefakt geht, das aus dem Londoner Museum zurück nach China gebracht werden soll. Dorthin, wo es hingehöre.

Fakt oder Fiktion: Worauf basiert das Video? Der verantwortliche Videomacher «Pancake Fruit» (煎饼果仔呀) behauptet, das Video basiere auf Tatsachen. Damit ist wohl weniger die menschgewordene Teekanne gemeint als vielmehr die chinesischen Kunstwerke, die sich im British Museum befinden. Das Museum, eines der bedeutendsten der Welt, beherbergt nach eigenen Angaben 23'000 chinesische Objekte. Darunter ist auch ebenjene Teekanne: Laut BBC ist sie ein relativ neues Stück im Museum, das 2011 von einem chinesischen Künstler geschaffen wurde. Insbesondere nach jüngsten Berichten, denen zufolge ein Angestellter Tausende von Artefakten aus dem British Museum gestohlen hatte, werden internationale Rückgabeforderungen lauter.

Was sind die Reaktionen in China? Auf Douyin, der chinesischen Tiktok-Version, wurde das Video bereits über 270 Millionen Mal angeschaut. Das sei viel, aber nicht aussergewöhnlich, so die SRF-China-Korrespondentin Claudia Stahel. Das Video komme vor allem bei jungen Chinesinnen und Chinesen an, die sich auf den Videoplattformen auskennen. «In der Bevölkerung ist das Video aber nicht so breit angekommen wie andere Themen, etwa die Rückkehr des chinesischen Pandas Yaya.» Die Teekannen-Serie vermag nicht im gleichen Ausmass nationalistische Gefühle zu schüren wie der Panda, der nach seiner Verleihung an die USA vor 20 Jahren wieder zurück nach China geholt wurde.

Ein Plakat mit Foto eines zerzausten Pandas, der links an einem Baum lehnt, darüber rote, chinesische Zeichen.
Legende: Sorgt für mehr Gesprächsstoff als die Teekanne. Auf dem Plakat ist zu lesen: «Du schaffst das, Yaya! Wir warten darauf, dass du nach Hause kommst!» In China gingen Gerüchte viral, der Panda sei in den USA schlecht behandelt worden. Getty Images / VCG

Hat der Staat etwas mit dem Video zu tun? Zwar berichtete etwa die Zeitung «Global Times», ein wichtiges Sprachrohr der Partei, zeitgleich über Rückgabeforderungen von chinesischen Artefakten. Offiziell aber wurde das Video vom privaten Vlogger «Pancake Fruit» produziert. Es gebe keinen stichhaltigen Beweis, dass es vonseiten der Regierung finanziert wurde, so Claudia Stahel. Jedoch wurde es bereitwillig von chinesischen Medien aufgenommen. «Die Geschichte passt ins offizielle Narrativ.» Die Staatsmedien berichten etwa über den Erfolg des Videos und über User-Forderungen nach der Rückgabe von Kulturgütern. Die chinesische Regierung hat bislang noch keine offizielle Rückgabeforderung an das British Museum gestellt.

SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, 07.09.2023, 16:30 Uhr ; 

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