Er ist einer der berühmtesten Charaktere der französischen Comicwelt: der Büroschussel Gaston Lagaffe. Vor einem Vierteljahrhundert ist sein Schöpfer André Franquin gestorben – und auf seinen Wunsch hätte es keinen weiteren Gaston-Comics mehr geben sollen.
Einen Rechtsstreit später ist der neue Gaston-Band trotzdem erschienen – und seit kurzem auch in deutscher Übersetzung erhältlich.
Neuer Gaston, altes Gewand?
Gleich zu Beginn des neuen Bandes präsentiert Gaston den Büromitarbeitern seine neuste Erfindung: ein portables Telefon, das entlang der Bürowand auf einer Schiene fährt und so endlich das Gehen beim Telefonieren ermöglicht – so die Idee.
Das funktioniert aber mehr schlecht als recht und so fliegt das Telefon kurz darauf der halben Belegschaft um die Ohren. Ähnlich erfolglos verläuft Gastons Versuch, das Problem mit den lästigen Fliegen im Büro zu lösen.
Er streicht dazu die Decke mit Klebefarbe ein. Nach einer Weile kleben aber statt den Fliegen die lieben Bürokollegen an der Decke. Was zu Wutausbrüchen sondergleichen führt – typisch Gaston.
Grosse Comic-Fussstapfen
Keine Frage, der chaotische Büroalltag, für den Gaston seit 1957 40 Jahre lang gesorgt hat, ist in genau gleicher Manier wieder da im neuen Band. Und es ist erstaunlich, wie gut der französische Zeichner Delaf (Marc Delafontaine) den Zeichenstil von André Franquin imitieren kann.
Verglichen mit den alten Bänden sieht man praktisch keinen Unterschied. Das ist wohl auch der Grund, warum der Dupuis Verlag den Zeichner Delaf engagiert hat, diese Fortsetzung, 25 Jahre nach Franquins Tod, zu zeichnen.
Gaston wäre um ein Haar Geschichte geblieben
Dabei wäre es fast nicht dazu gekommen: Als vor zwei Jahren bekannt wurde, dass der Verlag eine Fortsetzung plant, wollte Franquins Tochter Isabelle das um jeden Preis verhindern.
Es folgte ein Rechtsstreit und ein offener Protest-Brief der Tochter, den viele französische Zeichnerinnen und Zeichner unterschrieben. Genützt hatte alles nichts, da der Verlag die Verwertungsrechte für die Figur Gaston innehat.
So ist er also wieder zurück, der schusselige Büro-Bote, der von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt und seine Kolleginnen und Chefs regelmässig zur Weissglut treibt.
(K)ein gut gealterter Comic
Für eingefleischte Gaston-Fans, die dem Verlag das Missachten von Franquins letztem Willen verzeihen, ist der Band ein grosses Stück Nostalgie. Nicht zuletzt, weil auch altbekannte Figuren wieder auftauchen, wie etwa der ehemalige Bürochef Fantasio oder sein Kumpel Spirou und das schwarz-gelbe Fabelwesen Marsupilami.
Doch: so unterhaltsam und gut gezeichnet die neuen Gags sind, wird schnell klar, dass dieser Comic seine Ursprünge eben in den 1950er-Jahren hat. Das wird besonders deutlich am Bild der Frauen, die im Büro mit Gaston arbeiten.
Sie alle sind, da hielt sich der neue Zeichner Delaf streng an die Originale von Franquin, wenig emanzipiert dargestellt, sondern sexy aufgestylt, laufen im Minirock herum und haben, vor allem was diejenige angeht, der Gaston hinterherläuft, nicht viel Grips.
Die Männer arbeiten hingegen entweder in Chefpositionen oder zumindest an den Zeichenpulten. So stellt sich durchaus die Frage, ob man etwas, das klar aus einer anderen Zeit stammt, nur weil es sich gut verkaufen lässt, auch um jeden Preis weiterführen sollte.