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Kunst Fallende Zinsen gehen den Kulturstiftungen an den Kragen

Die augenblicklich niedrigen Zinsen haben nicht nur Auswirkungen auf das Konto von Herrn und Frau Schweizer. Auch die Zinserträge kleiner Stiftungen schmelzen dahin. Im Stiftungsparadies Schweiz gilt aber weiterhin: lieber kleckern als klotzen. Wie lange noch?

Mehr Stiftungen als früher beenden ihre Engagements und weniger neue werden gegründet. Das ist der eine Krisenbefund im Stiftungssektor. Der andere: Noch bestehende Stiftungen haben mit den niedrigen Zinsen zu kämpfen.

Die Schweizer Stiftungslandschaft wächst weniger schnell als früher und die Zahl der Stiftungsliquidationen nimmt zu. All das lässt sich nachlesen in den Schweizer Stiftungsreports der letzten beiden Jahre.

Kleine Stiftungen haben ein grosses Problem

Stiftungsexperte Georg von Schnurbein benennt den Kern des Problems: Risikoarme Investitionen erbringen nur noch Erträge von rund einem Prozent des angelegten Vermögens. Der Direktor des «Center for Philanthropy Studies» erforscht an der Universität Basel Nonprofit-Organisationen und führt aus: Die Niedrigzinssituation zwinge Stiftungen zu sparen – und das heisse meistens: weniger Geld auszuschütten.

«Das Problem ist für die kleinen grösser», so Stiftungsexperte von Schnurbein weiter. Denn grosse Stiftungen können geringere Erträge ausgleichen. Sie legen einen Teil ihres Vermögens risikoreicher an, mit höheren Renditechancen. Das ist für kleinen Stiftungen kaum machbar. Sie sind darauf angewiesen, das angelegte Vermögen garantiert zurückzuerhalten.

Die kleinen Stiftungen stecken im Teufelskreis

Ein Teufelskreis. Insbesondere, weil rund 80 Prozent der Schweizer Stiftungen «klein» sind. Und mit einem Stiftungsvermögen von unter drei Millionen Franken operieren. Während früher mittels Bundesobligationen oder anderer festverzinslicher Wertanlagen fünf Prozent Rendite zu holen waren, und damit für den gemeinnützigen Stiftungszweck ein schöner Batzen zusammenkam, erwirtschaftet eine Stiftung heute mit sicheren Anlagen nur noch rund ein Prozent Rendite.

Drei Millionen Stiftungskapital bringen heute 30‘000 Franken, von denen noch Bankspesen und die Gebühren für die Stiftungsaufsicht zu berappen sind. Die niedrigen Zinsen lassen nicht viel übrig für den Stiftungszweck. Aber nur wenige Stiftungen ziehen die Konsequenzen und verändern sich.

Eine Stiftung löst sich selber auf

Da ist etwa die Zürcher Steo-Stiftung, die über Jahrzehnte Kulturschaffende gefördert hatte und sich radikal konsequent selbst auflöste. Letztes Jahr verabschiedete sich die Steo-Stiftung fulminant und entschied, das Stiftungskapital aufs Mal aufzubrauchen. Der Stiftungszweck sei über die Zinsen nicht mehr erfüllbar gewesen, darum gehe man das Kapital an, so die langjährige Geschäftsführerin der Steo-Stiftung Heidi Strässler nach dem Entscheid gegenüber Radio SRF.

Andere Kulturstiftungen gehen andere Wege: die Animato-Stiftung etwa, die junge Musikerinnen und Musiker unterstützt, indem sie Wettbewerbe und Konzerttourneen veranstaltet. Sie ist zur Verbrauchsstiftung geworden: Um den Förderzweck zu erfüllen, darf sie das Stiftungsvermögen anknabbern und allenfalls später wieder ausgleichen.

Neue Ideen müssen her

Niedrige Zinsen machen Stiftungen derzeit das Leben schwer. Um heute noch mittels Anlagen Erträge für einen gemeinnützigen Zweck zu erwirtschaften, braucht es Ideen und Know-how auf den Finanzmärkten. Das Modell Stiftung sei dennoch nicht grundsätzlich in Frage gestellt, ist Stiftungsexperte Georg von Schnurbein überzeugt. Stiftungen seien langfristig gedacht. Einzelne Schweizer Stiftungen hätten in den 100 Jahren ihres Bestehens weit schlimmeres erlebt als die aktuelle Niedrigzinsperiode. Es gebe sie immer noch.

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