Ein junger, schwarzer Rebell leert das Magazin seines Maschinengewehrs. Man ist so nahe dran, dass man bei jeder Salve zusammenzuckt.
Mit wackligen, unscharfen Bildern beginnt der Film «Hondros» (USA 2017). Man erkennt einen Fotografen, der hinter einer Abschrankungen in Deckung geht, die Kamera immer im Anschlag.
Normale Worte, grausamer Ort
Sein Telefon klingelt. Im Off hört man seine Stimme: «Hallo, hier ist Chris.» Zwischen den Sätzen fallen Schüsse: «Ok»; «es geht gut, alles in bester Ordnung»; «ruf mich später nochmals an».
Weitere Schüsse sind zu hören, unzählige Patronenhülsen liegen am Boden. Als der Rebelle stirbt, schiesst der Fotograf Bilder. Damit endet die Szene.
Das kurze Telefongespräch hätte an jedem beliebigen Ort stattfinden können. Doch es ist Krieg und der Akteur ein Kriegsfotograf: Chris Hondros.
«Man muss nahe dran sein»
«Das Problem mit der Kriegsfotografie ist, dass es keinen Weg gibt, sie aus der Distanz zu machen», sagt Hondros im Film. «Man muss nahe dran sein. Man kann nicht vom Hotel aus fotografieren, nicht von der anderen Strassenseite. Man muss mittendrin sein. Dazu muss man manchmal seinen Verstand ausschalten.»
Doch wie nah ist zu nahe dran? Immer wieder kommen Kriegsfotografen an der Front ums Leben. Darüber sind in den letzten Jahren mehrere Dokumentarfilme entstanden.
Unklare Fronten, unfreiwillige Verbündete
«Hondros» ist einer davon. Chris Hondros berichtete jahrzehntelang erfolgreich über Kriege, etwa in Liberia oder im Irak. Seine Bilder wurden oft auf den Titelseiten grosser westlicher Zeitungen publiziert. Doch dann kam Libyen. Dort starb Hondros durch eine Granate.
Libyen war ein chaotischer Krieg mit unklaren Fronten. Als Berichterstatter war man auf die Rebellen angewiesen, um überhaupt Bilder vom Geschehen machen zu können. In diesem Chaos lebten Journalistinnen und Fotografen gefährlicher – so häuften sich etwa auch Entführungen.
Der Fall James Foley
Was in Libyen anfing, wurde in Syrien knallharte Realität. Immer mehr Journalisten und Fotografen wurden ermordet. Eines der brutalsten Beispiele war der US-amerikanische Reporter James Foley.
Er wurde zusammen mit dem britischen Fotografen John Cantlie in der Nähe der syrisch-türkischen Grenze vom Islamischen Staat entführt. James Foley wurde vor laufender Kamera exekutiert, John Cantlie ist bis heute verschwunden.
Mit diesen Geschehnissen befasst sich «Jim: The James Foley Story» (USA 2016). Auf die Frage, ob Foley unvorsichtig war, in Syrien zu arbeiten, antwortet eine befreundete Fotografin: «Wie wisst ihr ohne jemanden wie James Foley überhaupt, was in Syrien passiert?»
Der Kriegsfotograf Manu Brabo beschreibt, wie er hin- und hergerissen ist: zwischen der Euphorie, so nahe am Kriegsgeschehen zu sein und dem Schrecken, den Anschlägen meist nur knapp zu entkommen.
Wegschauen oder weitermachen?
Wie nah ist zu nahe? Diese Frage ist so alt wie der Krieg. Sie steht auch im Zentrum des Dokumentarfilms «Under the Wire» (UK 2018). Darin werden die Umstände des Todes der britischen Kriegsreporterlegende Marie Colvin erzählt.
Colvin und ihr Fotograf Paul Conroy standen vor der Entscheidung, in ein vom syrischen Regime bombardiertes Gebiet zurückzukehren. Sollten sie wegschauen? Oder trotz Gefahr weiterberichten wie tausende Zivilisten getötet werden?
Colvin und Conroy entscheiden sich für Zweiteres. Das kostete Colvin ihr Leben. Damit andere sehen können, was passiert, riskierte sie ihr Leben. Wie zahlreiche andere Kriegsreporter und Kriegsfotografinnen auch.