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Förderung für Schweizer Comics Comic-Experte: «Endlich werden Comics als Kunstform anerkannt»

Gute Nachrichten für die Schweizer Comic-Szene: Die Kulturstiftung Pro Helvetia verstärkt ihre Förderung für Comic-Künstlerinnen und Künstler.

Zum ersten Mal können sich diese um Werkbeiträge im Wert von 20’000 Franken bewerben. Damit will die Pro Helvetia den Comic als eigenständige Kunstdisziplin stärken. Comic-Experte Christian Gasser erzählt, was er davon hält.

Christian Gasser

Journalist und Publizist

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Christian Gasser ist Kulturwissenschaftler, Dozent an der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Journalist und freier Schriftsteller. Er ist Mitherausgeber des Comic-Magazins STRAPAZIN und rezensiert Comics für diverse Medien wie die Neue Zürcher Zeitung oder SRF2 Kultur.

SRF: Wie stand man in der Schweizer Kulturförderung in den vergangenen Jahren zum Comic?

Christian Gasser: Bisher wurde er nicht als eigenständige Kunstdisziplin anerkannt. Seit den 1990er-Jahren gibt es zwar finanzielle Unterstützung, aber das Geld kommt in der Regel aus den Töpfen für Literatur, Kunst, Design oder ganz anderen Dingen.

Ausnahmen sind etwa der «Prix Rodolphe Töpffer» in Genf oder die Comic-Stipendien der Deutschschweizer Städte, die sich wirklich an Comicautorinnen und -autoren richten.

Einen grossen Teil der Schuld trägt die Comic-Szene selbst.

Klingt so, als würde die Kulturpolitik in der Schweiz in Sachen Comic-Förderung etwas hinterherhinken.

Wenn man kritisch sein will, kann man das so sagen. Andererseits gibt es in der Schweiz – im Gegensatz zu Deutschland oder Österreich – doch relativ viel Unterstützung für Comics. Es wäre falsch, hier nur die Förderinstitutionen zu kritisieren. Einen grossen Teil der Schuld an diesem Missstand trägt die Comic-Szene selbst. Sie hat sich bis vor Kurzem nicht organisiert.

Wie meinen Sie das?

In der Schweiz haben alle Kunstdisziplinen ihre Vereine und Organisationen, etwa «Visarte», «Autorinnen und Autoren der Schweiz» oder «Schweizer Trickfilmgruppe». Sie machen sich für ihre Anliegen stark. In der Comic-Szene fehlte das Bewusstsein für solche Organisationen völlig bis vor zwei, drei Jahren das Comic-Netzwerk «Réseau BD» gegründet wurde.

Wie haben die Zeichnerinnen und Zeichner von Comics ihre Arbeit denn bisher finanziert?

Nicht über die Verkäufe. Die Auflagen von Comics sind vor allem im deutschsprachigen Raum immer noch viel zu klein, um davon leben zu können. Die Künstlerinnen und Künstler waren unter anderem auf regionale Förderung, Druckbeiträge und private Stiftungen angewiesen. Diese Beiträge waren aber eher bescheiden.

Das führt dazu, dass der Comic für die wenigsten hierzulande eine Hauptbeschäftigung ist. Comics werden nebenbei geschaffen. Das ist künstlerisch problematisch. Es fehlt an Kontinuität, an Entwicklungsmöglichkeiten – und an regelmässigem Kontakt zum Publikum.

Letztlich geht es aber nicht nur ums Geld und die Anerkennung, sondern um den Diskurs

Und da können die Werkbeiträge, die Pro Helvetia nun vergibt, einen Unterschied machen?

Auf jeden Fall. Zum einen die Höhe des Beitrags: 20’000 Franken können es tatsächlich ermöglichen, an und mit Comics zu arbeiten. Noch wichtiger ist aber die damit einhergehende Anerkennung des Comics als eigenständige Kunstform. Das könnte auch ein Signal sein für andere Förderinstitutionen, wie dem Bundesamt für Kultur oder private Stiftungen.

Letztlich geht es aber nicht nur ums Geld und die Anerkennung, sondern um den Diskurs. Bisher wurden Comics etwa von fachfremden Juroren bewertet. Neu sitzen hoffentlich Fachleute in diesen Comic-Kommissionen.

Nahaufnahme einer Hand, die zeichnet.
Legende: Die Ausschreibung der Schweizer Kulturstiftung läuft noch bis 01. September. Keystone / Christian Merz

Wo steht denn die Schweizer Comic-Szene im internationalen Vergleich?

Da muss man zwischen den sehr unterschiedlichen Szenen in der Romandie und in der Deutschschweiz unterscheiden: In der Romandie gibt es internationale Megastars wie Cosey, Zep und Frederik Peeters – und auch viel Potenzial. Die Nähe zum französischen Markt und zu französischen Verlagen ermutigt sehr viele Leute, Comics zu zeichnen und dabei zu bleiben.

Die Deutschschweiz ist für mich ein Talentpool. Es tauchen immer wieder unglaubliche Künstler wie Jan Bachmann oder Nando von Arb auf. Aber oft klaffen Jahre zwischen zwei Büchern.

So lässt sich letztlich keine erfolgreiche internationale Karriere aufbauen. Das führt dann auch dazu, dass viele dieser wunderbaren Talente sich zu früh vom Comic abwenden. Sie müssen eben Geld verdienen.

Das Gespräch führte Irene Grüter.

Radio SRF2 Kultur, Kultur aktuell, 26.08.2020, 07:20 Uhr. ; 

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