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Kunst Keine Ikone für Zürich

Gleichzeitig mit seinem Entwurf der Sydney Opera sollte der dänische Architekt Jørn Utzon in den 1960er Jahren in Zürich ein neues Schauspielhaus bauen, das wie in Sydney zu einem Wahrzeichen der Stadt werden sollte. Sollte, denn trotz sieben Jahren Planungsarbeit kam es nicht dazu.

60 Meter hohe Betonschalen, die von einem Podest luftig in den Himmel ragen: Wie kaum ein anderes Gebäude prägt das Sydney Opera House des dänischen Architekten Jørn Utzon die Skyline seiner Stadt und das Bild eines ganzen Kontinents.

Einen architektonischen Wurf wünschte man sich im Jahr 1963, als die Oper in Sydney gerade im Bau war, auch in Zürich: Die unbefriedigenden Verhältnisse des Schauspielhauses am Pfauen könne auch eine Renovation nicht lösen, heisst es in der Wettbewerbsausschreibung, ein Neubau müsse her. Man wollte Hauptbühne, Probebühnen und Werkstätten unter einem Dach vereinen und stelle sich ein «edel gestaltetes Bauwerk» vor, das «den hohen Anforderungen an die für Zürich wichtige und repräsentative Aufgabe eines Schauspielhauses entgegen kommt».

Gebäudeteppich mit städtebaulicher Dimension

Jørn Utzon (1918 - 2008)

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Legende: Keystone

Der dänische Archtiekt arbeitete zu Beginn bei Alvar Aalto, Gunnar Asplund und Frank Lloyd Wright, die er seine «Meister» nannte. Er liess sich von Bauweisen fremder Kulturen wie China oder Mexiko beeinflussen, ebenso versuchte er Ordnungsprinzipien der Natur mit moderner Bauweise zu verbinden. Im Jahr 2003 erhielt Jørn Utzon den Pritzker-Preis.

Gebaut werden würde dieses just auf dem Areal, auf dem jetzt das neue Kunsthaus des britischen Architekten David Chipperfield geplant ist. Schon damals sollten die beiden Turnhallen geopfert werden, die auch jetzt bei der Kunsthaus-Erweiterung zur Diskussion stehen. Der Wettbewerb richtete sich an Schweizer Architekten, eingeladen wurden dazu fünf internationale Büros, die «über Erfahrung im Theaterbau verfügen», wie es der Jurybericht formuliert. Utzon, damals wegen Sydney in aller Munde, war einer von ihnen und gewann den Wettbewerb.

Der Däne präsentierte ein dreistufig an den Hang gebautes, 150 Meter langes Gebäude mit einem wellenförmigen Dach. Seine Faszination für historische Bauten, zum Beispiel die erhöhten Plateaus der Mayatempel, und für die Formen der Natur lässt sich in seinem Entwurf gut erkennen. Die Jury beschreibt ihn als «flachen reliefartigen Gebäudeteppich mit strukturierter Dachkonstruktion».

Ein Teppich allerdings, der sich von der oberen Seite des Hanges bis unmittelbar vor das Kunsthaus ausrollen sollte und – im Gegensatz zu den anderen Projekten – damit den vor dem Kunsthaus liegenden Heimplatz grösstenteils überdecken würde. Den Verkehr wollte er erst der Ausschreibung entsprechend unterirdisch, später durch das Gebäude selber hindurch verlaufen lassen. Statt eines reinen Schauspielhaus-Entwurfs hatte der Architekt eine Vision, die eine städtebauliche Dimension bekam.

Ein «wahrhaft demokratischer Raum»

Auch in Bezug auf den Innenraum hielt er sich nicht sklavisch an die Vorgabe. Das Jurymitglied Max Frisch forderte im Exposé, dass der «erotischen Magie der leiblichen Anwesenheit» zuliebe eine grösstmögliche Nähe aller Zuschauer herzustellen sei. Dafür sei der Zuschauerraum mit Rängen auszustatten. Utzon konzipierte stattdessen ein einziges Parkett.

Video
Jørn Utzon zur Ethik von Architektur
Aus Sternstunde Kunst vom 20.10.2013.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 13 Sekunden.

Das Preisgericht bat ihn nach der Vergabe um eine nachträgliche Planung von Rängen, was zu einer heftigen Reaktion von ungewohnter Seite führte: Die Neue Zürcher Zeitung schrieb in ihrer Beurteilung des Projekts, dass ein Festhalten an Rängen ein «Festhalten an einer Ordnung der Gesellschaft nach Ständen und Privilegien» sei; Utzons Zuschauerraum sei demgegenüber ein «wahrhaft demokratischer Raum».

Der Traum platzt

Die Ausführung des Projektes gestaltete sich dann zunehmend aufwändiger und teurer als ursprünglich gedacht, nicht zuletzt durch die von der Stadt geforderten Überarbeitungen. Die Befürchtung wuchs, dass das Volk die hohen Kosten nicht mehr akzeptieren würde.

Als man schliesslich immer deutlicher von Verzögerungen und Budget-Streitigkeiten beim Bau der Sydney Opera hörte, wurde aus dem frischen Wind, den der Däne nach Zürich hätte bringen sollen, plötzlich eine steife Brise, die dem Architekten selber ins Gesicht blies. 1970, nachdem Jørn Utzon bereits sieben Jahre für das Projekt plante, liess es der Stadtrat stoppen und in der Schublade verschwinden; das alte Schauspielhaus wurde renoviert.

Die Architekten Susanne Fritz und Patrick Schöll haben im Auftrag der Nachkommen von Jørn Utzon das Projekt anhand von historischem Planmaterial neu visualisiert. Susanne Fritz ist überzeugt, dass der Entwurf auch heute an gestalterischer Aktualität nichts eingebüsst hat: «Es gibt Architekten, die Dinge entwerfen, die zukunftsweisend sind. Jørn Utzon ist für mich einer dieser Vorausdenker, seine Bauten haben immer noch Gültigkeit. Man sieht das am Beispiel der ikonischen Sydney Opera Hall, sowie in seinem Projekt für das Schauspielhaus Zürich: Die meisten Menschen, die diese dreidimensionalen Bilder sehen, denken, dass dieser Entwurf von heute sein könnte.»

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