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Ein Labor für digitale Museumsarbeit
Aus Kontext vom 17.05.2020. Bild: Keystone / EPA / FRANCK ROBICHON
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Künstliche Intelligenz Das Museum wird künstlich intelligent

Das «Musée de l’Elysée» fängt da an, wo bisherige Museumsarbeit aufhört: Bei Digitalisierung, Interaktion mit Computern und künstlicher Intelligenz.

Zuoberst im Dachstock des Lausanner Fotografiemuseums befindet sich seit drei Jahren das digitale Versuchslabor «LabElysée». Die jüngste Testanlage: die Installation «Artificial Intersections»

Auf einem niedrigen Tisch liegen ein Dutzend kleiner Bildschirme verstreut. Darauf sind Fotos zu sehen, die in regelmässigen Abständen wechseln. An der Wand daneben hängt ein grosser Monitor mit Schlagworten wie «Rechteck», «Horizont» oder «Stillleben» – auch sie wechseln ständig.

Einblick in eine Installation, in der viele kleine Bildschirme in einem dunklen Raum bläulich aufleuchten
Legende: Die Installation «Artificial Intersections» lädt dazu ein, selber in der Ausstellung mitzumachen. LabElysée / Samuel Wolf

Die Schlagworte bestimmen die Bilder auf den kleinen Bildschirmen. Zum Schlagwort «Technologie» erscheinen Fotografien von einem Computer, einer Wetterstation oder einem Volumenregler.

Organisiert von künstlicher Intelligenz?

Ein Algorithmus hat für diese Installation rund 6000 Bilder analysiert und verschlagwortet, er lernt ständig dazu. Die Schlagworte erscheinen nach dem Zufallsprinzip, können aber auch durch Antippen auf dem Bildschirm von den Museumsgästen bestimmt werden.

Man wolle herausfinden, was das Potenzial eines solchen automatisierten Ausstellungsformats sei, sagt Manuel Sigrist, der den Bereich für Web und Digitales des Museums leitet. «Könnte man der Künstlichen Intelligenz auch eine ganze Porträt- oder Landschaftsausstellung in Auftrag geben?» Bisher noch nicht.

Bilderschätze zugänglich machen

Am «Musée de l’Eysée» sind aktuell 80 Prozent der Sammlung digital erfasst. Im digitalen Archiv schlummern also viele fotografische Schätze.

«Vor einem Computerbildschirm mit Suchmaske für das digitale Archiv bleibt niemand lang stehen», sagt Manuel Sigrist. Deshalb sucht man in Lausanne digitale Vermittlungsformate, die einen attraktiven Zugang zum Fotoarchiv schaffen. Dabei werden auch unkonventionelle Ideen ausprobiert.

Spielerische Zugänge

In der interaktiven Installation «_Field» sitzt man auf einer Schaukel vor einer Leinwand, auf welche Fotografien aus dem Archiv projiziert sind. Die Schaukel dient als Benutzerschnittstelle zum Archiv: Je intensiver geschaukelt wird, desto schneller wechseln die Bilder.

Frau schaukelt vor einem projizierten Bild
Legende: Interaktion mit der Ausstellung: Schaukelnd bestimmt man, wie schnell die Bildabfolge wechselt. Keystone / Laurent Gillieron

Manuel Sigrist und sein Team sammeln seit drei Jahren Erfahrungen mit interaktiven digitalen Installationen. Dabei haben sie auch erkannt, wo die Grenzen liegen. «Ist es zu technisch, schreckt es die Museumsgäste ab. Ist es zu verspielt, wird es nicht ernst genommen,» sagt Manuel Sigrist.

Eye-Tracking

Am «LabElysée» wird nicht jahrelang an einer Idee gearbeitet. Etwas wird für drei Monate probiert, schnell evaluiert und allenfalls wieder verworfen. Wenn etwas aber funktioniert, wird der Prototyp verbessert und ins Repertoire aufgenommen.

Überzeugt hat etwa eine digitale Schnittstelle mittels Blickanalyse. Ein Apparat analysiert die Blickrichtung des Betrachters. Dieser erhält über Kopfhörer dann Informationen zu dem Bildelement, das er gerade anschaut. Eine Art individualisierter Audioguide.

Museum als Teil des Experiments

Die neuen Technologien bleiben damit nicht vor der Tür des Museums stehen. Das «Musée de l’Elysée» ist überzeugt von der Notwendigkeit einer digitalen Museumspraxis. Statt schnelle Antworten zu finden, hat man sich für den Modus des Experimentierens entschieden. Das Fotografiemuseum von morgen könnte schon bald zu erleben sein.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 19.05.2020, 09.05 Uhr

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