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Kunst Architektur-Biennale blickt auf die Ideen eines Nonkonformisten

Der Schweizer Soziologe Lucius Burckhardt erforschte einst mit seiner «Spaziergangswissenschaft» Stadt und Land. Jetzt – elf Jahre nach seinem Tod – erleben seine Ideen ein Revival: Kurator Hans-Ulrich Obrist widmet ihm einen Teil des Schweizer Pavillons an der Architektur-Biennale in Venedig.

Die typische Rundschnittfrisur war Lucius Burckhardts Markenzeichen. Damit machte der Soziologe und Nationalökonom, der dem Basler Bürgertum entstammte, unmissverständlich deutlich: Er liebte das Nonkonforme und war durchaus bereit, dem Establishment auf die Füsse zu treten.

Bereits als 24-Jähriger ergriff Burckhardt das Referendum gegen den sogenannten Grossbasler Korrektionsplan. Die Basler Regierung wollte 1949 den aufkommenden Autoverkehr mit einer breiten Strasse quer durch die Altstadt bedienen. Diesem leidenschaftlichen Interesse für Stadt- und Landschaftsplanung blieb Lucius Burckhardt treu.

Der Spaziergang als kritisches Instrument

1955 sorgte das Manifest «achtung die schweiz», das Lucius Burckhardt gemeinsam mit Max Frisch und Markus Kutter verfasste, für rote Köpfe. Die Autoren schlugen eine alternative Expo vor: eine Schweizer Modellstadt, eine Art urbanes Denklabor.

In den 1980er-Jahren erfand Lucius Burckhardt in Kassel die Spaziergangswissenschaft. Für Burckhardt war der Spaziergang ein kritisches Wahrnehmungsinstrument. Statt theoretisch über Landschaft zu reden und über die Unwirtlichkeit der Städte zu jammern, lotste Lucius Burckhardt seine Studierenden quer durch die Stadt und an Un-Orte. Seine Devise: Da Landschaft nur in Sequenzen wahrnehmbar ist, braucht es Bewegung – den Spaziergang eben.

«achtung die schweiz» – dieser frühe Mahnruf gegen die Zersiedelung – ist längst ein Klassiker und noch immer hochaktuell. Die Spaziergangswissenschaft – diese akademische Disziplin – hat infolge unzählige Künstler und Architekten inspiriert.

Merksätze wie Widerhaken

Neben der Rundhaarfrisur waren auch zugespitzte Fragen und Aussagen Burckhardts Markenzeichen. Sätze wie «Wer plant die Planung?» oder «Design ist unsichtbar» setzen sich noch heute fest wie kleine Widerhaken und zeigen: Für Lucius Burckhardt waren Raum und Macht ein unzertrennliches Paar, darum hat die Planung mit Politik und Interessenslagen zu tun. Und Lucius Burckhardt interessierte nicht die (sichtbare) Form sondern die (unsichtbare) Nutzbarkeit.

Ein interaktiver Ort in Venedig

Seit seinem Tod 2003 ist der Basler Soziologe, der in den 80er-Jahren in Basel die «Grüne Alternative» gründete und erfolglos für den Nationalrat kandidierte, in Vergessenheit geraten. Seinen Nachlass – immerhin gegen 100 Kartonkisten – betreuen Martin Schmitz und Markus Ritter. Objekte aus diesem riesigen Archiv, Aquarelle und Schriften, Skizzen und Fotografien, sind jetzt im Schweizer Pavillon an der Architektur-Biennale in Venedig zu sehen.

Architektur-Biennale Venedig

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An der Architektur-Biennale in Venedig stellt Kurator Hans Ulrich Obrist vom 6. Juni bis am 23. November im Schweizer Pavillon zwei visionäre Denker vor: den Basler Soziologen und Planungskritiker Lucius Burckhardt und den englischen Architekten Cedric Price.

Kurator Hans-Ulrich Obrist hat den eleganten Pavillon in einen interaktiven Ort verwandelt. Jeden Tag füllen Architektur-Studierende der ETH Zürich einen Archiv-Wagen mit Faksimile-Material, fahren es in den Ausstellungsraum, um die Besucher in Gespräche zu verwickeln und ihnen Lucius Burckhardts Ideen und Theorien zu erklären.

Aus dem Lehrstuhl wird ein «Lehrcanapé»

Dieses Konzept hätte Lucius Burckhardt bestimmt gefallen, hat er doch 1970 an der ETH das «Lehrcanapé» eingerichtet. Im Gegensatz zum Lehrstuhl nehmen auf dem «Lehrcanapé» zwei Personen Platz; statt der professoralen Vorlesung sind Dialog und Partizipation der Studierenden gefragt.

Dieser experimentelle Lehrstil war damals nicht allen geheuer: 1973 wurde das «Lehrcanapé» deshalb wieder abgeschafft. Nun erfährt es in Venedig an der Architektur-Biennale eine Art Revival.

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