Abgehackte, waagerechte Linien flackern über die breite Rückwand des Saals, der ganz mit schwarzem Teppich ausgelegt ist. In neun schlichte Podeste sind Bildschirme eingelassen. Über sie gleiten ebenfalls Linien, Punkte, Wolken. Hinter den abstrakten Strichen und Mustern verbergen sich Daten verschiedenster Art: Genome, astronomische Daten, die Strukturen von Proteinen oder auch die flackernden Balken, die oft auf Computerbildschirmen erscheinen, kurz bevor der Rechner abstürzt.
Umgeben von bewegten Datenströmen
Ryoji Ikeda löst die visuelle Darstellung dieser Daten aus ihrem Zusammenhang und komponiert aus mathematisch berechneten Informationen bewegte visuelle Muster. In der Ausstellung im Haus der elektronischen Künste am Dreispitz-Areal in Basel verbinden sich die verschiedenen Datenmuster in Projektionen und auf Bildschirmen zu einem ästhetischen, musikalisch unterlegten Rauschen.
Es entsteht ein Raum, in dem der Betrachter von endlos sich bewegenden Datenströmen umgeben scheint. Die Inszenierung der abstrakten Datenfülle fasziniert, obwohl oder gerade weil sich kaum noch ausmachen lässt, was eigentlich hinter all den Linien, Mustern und Strichen steckt.
Das Haus der elektronischen Künste feiert die Eröffnung seiner neuen Räume mit einer Ausstellung des international renommierten Künstlers Ryoji Ikeda. Der in Paris lebende Japaner bespielte zuletzt den Times Square in New York mit digitalen Bildern. Angefangen hat der 48-jährige Ikeda mit Musik. Er beschäftigte sich mit der so genannten Noise-Musik, einer Spielart der elektronischen Musik. Noise-Musik versucht, die Grenzen sowohl musikalischer wie auch gesellschaftlicher Konventionen zu durchbrechen. Die japanische Noise-Musik-Szene gilt als unangepasst und gesellschaftskritisch.
Börsenkurse, Statistiken, Medienflut
Ein kritischer Blick auf die gegenwärtige Gesellschaft und ihren Umgang mit Technologien prägt auch Ikedas audiovisuelle Arbeiten. Seine Klang-Bild-Kompositionen vermitteln das Bild einer Welt, die in eine Vielzahl von Daten zerlegt werden kann. Daten, die berechnet, analysiert, kontrolliert werden können. Deutlich wird Ikedas kritischer Blick in jenen Arbeiten, die in kleinen, kabinett-artigen Seitenräumen präsentiert werden.
Da reiht Ikeda in einem Video-Loop assoziativ Informationen aneinander, die vom Zustand der Welt sprechen. Buchtitel, Börsenkurse, statistische Daten gleiten in einem Tempo über die Projektionsfläche. Man kann sie kaum lesen: In der Medienflut versinken Informationen, seien sie noch so wichtig und brisant.
Ikeda betitelt diese vor zehn Jahren geschaffene Arbeit mit «C4I», einem von den US-amerikanischen Streitkräften eingeführtes Akronym, das für «command and control, communications, computers, intelligence» (Führung und Steuerung, Kommunikation, Computer, Informationsbeschaffung) steht.
Ganz so rebellisch wie diese ältere Arbeit sind die neuen Installationen nicht. Ikedas Furor ist beim Komponieren gegen den Datenstrom schwächer geworden, die jüngsten Werke sind stärker auf das Ästhetische ausgerichtet – sehens- und hörenswert ist die Schau aber allemal.