Ein sieben Meter hoher Riese aus grobem Stein, der auf die Seine und den Louvre zu blicken scheint: Erst vor wenigen Tagen wurde seine monumentale Steinfigur mit dem Titel «The Innocent», die Unschuldige, auf dem Platz vor dem Institut de France aufgestellt.
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Bild 1 von 1. Grauer Stein an Grosstadtflair und Oktoberhimmel: Ugo Rondinones «The Innocent» passt geradezu perfekt ins herbstliche Paris. Bildquelle: Courtesy Art Basel/Ugo Rondinone.
Eine grosse Ehre, denn Ugo Rondinone tritt damit in die Stapfen illustrer Künstler, die ebenfalls hier ausgestellt haben: Georg Baselitz, Sheila Hicks oder Niki de Saint Phalle.
Ein Monument für die Kinder der Welt
Bei der Pariser Bevölkerung ist Rondinones Werk angekommen: Spontan, so scheint es, haben Menschen Blumen, Stofftiere und Kerzen rund um den Sockel der Skulptur gelegt. Ein Dialog, der den Künstler freut – denn sein Werk wurde verstanden:
«Die Skulptur gehört zu einer Gruppe von Werken, die ich 2013 begonnen habe, und die nach Gefühlen benannt sind. Eigentlich traut man einem Stein gar keine Gefühle zu, aber auch ein Stein lebt. Er ist die erste Materie der Welt, der Knochen der Welt, das eigentlich alles zusammenhält», heisst es von Rondinone.
«The Innocent» repräsentiere die Geschichte und die Unschuld der Menschheit. Was man unweigerlich mit Kindern assoziiere: Kinder als unsere Zukunft – und unschuldig zur Welt gekommen. Daher, glaubt Rondinone, wurden hier auch spontan Blumen und Teddybären abgelegt.
Ein verkappter Romantiker
Stein ist eines der Lieblingsmaterialien von Rondinone. Der Beginn seiner Liebe für diese Materie liegt in der Kindheit: das Aufwachsen im Brunnener Talkessel, umgeben von den Schweizer Bergen – und die häufigen Aufenthalte im italienischen Matera, der Geburtsstadt seiner Eltern, deren Höhlen ihn als Kind faszinierten.
Während des Studiums fand er bei den deutschen Romantikern, insbesondere Caspar David Friedrich seine Liebe für die Steine wieder.
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Bild 1 von 4. Der Mann am Fels: Ugo Rondinones steinerne Kunstwerke kommen ganz unterschiedlich daher: . Bildquelle: KEYSTONE/Urs Flueeler.
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Bild 2 von 4. Mal gigantisch und bunt, wie der «Liverpool Mountain» vor der Tate-Kunstgallerie in Liverpool … . Bildquelle: REUTERS/Hannah McKay.
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Bild 3 von 4. … mal majestätisch-grau wie das «Steinmandli» auf dem Kreisel vor dem Dorf Andermatt …. Bildquelle: KEYSTONE/Urs Flueeler.
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Bild 4 von 4. … oder auch ganz handlich, wie der «Yellow Red Mountain», der 2021 bei Sotheby’s versteigert wurde. Bildquelle: Tristan Fewings/Getty Images for Sotheby's.
Jedes Motiv, dass er seit 1981 benutze, würde an die Romantik anknüpfen, heisst es von Ugo Rondinone: «Die Sonne, der Baum, die Sterne, der Mond. Also alle diese Motive, die ich in meinem Werk benutze, sind eine direkte Anlehnung an die Romantik.»
Als er damit begann, sei die Romantik für Kunststudenten kein Thema gewesen. Künstler wie Jeff Koons waren damals gerade in, es ging um Konsumerismus und Verführung. «Aber das wollte ich umdrehen, einen Bezug zu mir schaffen. So kam dann die erste Landschaft zustande.»
Der Star der Messe
Unter der Glaskuppel des Grand Palais stechen während der Art Basel Paris drei farbenfrohe monumentale Skulpturen jedem Besucher ins Auge: Es sind sogenannte «Mountain»-Skulpturen, die der Künstler 2016 zum ersten Mal als Landart-Installation in den USA gezeigt hat. Leuchtend scheinen diese aufeinander gestapelten Felsbrocken der Schwerkraft zu trotzen.
Am Stand der Galerie Eva Presenhuber drängen sich Messebesucher, Kinder tummeln sich um die Skulpturen, wer ein Handy hat, zückt es für das obligatorische Selfie.
«Wir haben viele Nachfragen, weil die Leute die Skulpturen sehr attraktiv finden. In den letzten zehn Jahren hat sich Ugo fest etabliert, Museen und Sammler sehen ihn als einen Künstler, der Bestand hat», erklärt Galeristin Eva Presenhuber.
Selbst die aktuelle Krise im Kunstmarkt scheint Ugo Rondinone nichts anzuhaben: Am zweiten Messetag waren bereits mehrere Werke an Sammler verkauft. Wie seine Steinskulpturen hat Ugo Rondinone Bestand und beweist, dass er zu den ganz grossen Künstlern der heutigen Zeit gehört.