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Museum der Kulturen in Lugano Der Knorrli-Zwerg und die Walser im Museum

Das Bergvolk der Walser besiedelte im Hochmittelalter die Alpengebiete zwischen Aostatal und Voralberg. So entstand auch das Dorf Bosco Gurin, die höchstgelegene Gemeinde des Tessins. Das Museum der Kulturen in Lugano widmet den Walsern von Bosco Gurin nun eine Ausstellung. Inklusive Knorrli.

Im ersten Raum der Ausstellung erwartet die Besuchenden ein geheimnisvolles Objekt: eine Schnur mit aufgereihten kleinen Holzplättchen. Ist das eine Halskette? Oder ein Kinderspielzeug?

Weder noch: die Holzplättchen sind sogenannte «Tesseln» mit eingravierten Walser Familiennamen. Sie dienten dazu, das Gemeinschaftsleben in Bosco Gurin gerecht zu organisieren.

Schnur rund geknüpft, darauf hölzerne Täfelchen mit eingeritzten Zeichen
Legende: Die Tassla sind kleine hölzerne Täfelchen, die mit Kerben und Symbolen versehen sind und von den Walsergemeinschaften zur Regelung verschiedener Aspekte des gemeinschaftlichen Lebens verwendet wurden. FCM/MUSEC, Lugano

«Wenn man Arbeiten zuschreiben musste, wurden diese Tesseln in einen Hut gelegt, geschüttelt und dann zufällig herausgefischt», sagt Francesca Pedrocchi, die Co-Kuratorin der Ausstellung. Auf diese Weise wurden dann Arbeiten, wie Schneeschaufeln oder Kühe hüten, ausgelost und es gab keinen Streit.

Mehr als reine Nutzgegenstände

Francesca Pedrocchi hat Wurzeln im Walser Dorf Bosco Gurin. Für die Ausstellung im Museum der Kulturen in Lugano hat sie zusammen mit der Co-Kuratorin Nora Segreto die Geschichte der Walser im Tessin rekonstruiert. Diese geht bis ins 13. Jahrhundert zurück.

Die meisten Exponate stammen aus dem Bosco Guriner Walsermuseum. Fast alle Nutzgegenstände der Walser sind reich verziert, so auch die «Kunkeln» an der Wand. Lange Holzstäbe, die zum Spinnen von Wollfäden gebraucht und als Liebesbeweis verschenkt wurden.

Francesca Pedrocchi sagt: «Je reicher sie verziert waren, desto grösser war die Liebe. Vor allem aber haben diese Kunkeln dadurch eine viel tiefere Bedeutung. Sie sind nicht nur reine Nutzgegenstände.»

Im Einklang mit der Natur

Mit Beharrlichkeit verwandelten die Walser abgelegene Gebiete in Lebensräume. Dabei half ihnen der Glaube an Gott und eine tiefe Verbundenheit mit der Natur. Sinnbild dafür sind aufwändig bemalte Kruzifixe und sorgfältig geschnitzte Tierfiguren – und ein hölzernes «Wassermännlein».

Im 19. Jahrhundert stand diese Figur auf einem Brunnen in Bosco Gurin. Francesca Pedrocchi sagt: «Die Verbundenheit der Walser mit der Natur hängt damit zusammen, dass sie fest davon überzeugt sind, dass sie nur ein Teil der Natur sind, dass sie von der Natur diese Ressourcen, das Wasser zum Beispiel, bekommen und dass sie deswegen der Natur Sorge tragen müssen.»

Das Knorr-Männlein hat Walser Wurzeln

Ein Sonderraum in der Ausstellung widmet sich dem wohl berühmtesten Bosco Guriner: Hans Anton Tomamichel, der bis zu seinem Tod 1984 in Zürich als Werbegrafiker arbeitete. Seine Walser Wurzeln flossen immer wieder in seine Arbeiten ein. Etwa bei seinem berühmten roten Knorrli-Zwerg der Marke Knorr, von dem eine Lithografie in der Ausstellung zu sehen ist.

Ausstellungsraum mit Knorr-Plakat an der Wand
Legende: Die Lithografie des Knorr-Männleins hat auch ihren Weg ins Museum gefunden. Solche Zwergfiguren gehören zur Geschichte der Walser. FCM Lugano

Hans Anton Tomamichel hat das Logo nicht zufällig mit einem Zwerg mit Suppentellergesicht gemalt. Denn Zwergfiguren wie diese seien seit jeher Teil der Geschichten der Walser, sagt die Co-Kuratorin Francesca Pedrocchi.

Während moderne Gesellschaften sich zunehmend von der Natur entfremden, sind die Walser also ein faszinierendes Gegenbeispiel. Nur schon deshalb lohnt sich eine Reise nach Lugano ins Museum der Kulturen.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «Arte Walser. Die Tradition von Bosco Gurin» ist bis am 1. März 2026 im MUSEC (Museo delle Culture in Lugano) zu sehen.

SRF 1, Tagesschau, 21.11.2025, 19:30 Uhr

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