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Museum für digitale Kunst Digitale Visionen hinter mittelalterlichen Mauern

Das «MuDA» hatte der digitalen Kunst in Zürich eine Plattform geschaffen. Wegen Corona musste es schliessen – jetzt ist es zurück, mit einer Ausstellung im Jahrhunderte alten Castel Grande in Bellinzona.

Bellinzona ist ein Ort voller Geschichte. Entlang der gepflasterten Strassen stehen alte Paläste und Kirchen, über allem wachen drei Burgen. Tritt man durch die dicken Mauern ins Castel Grande, erwartet einen jedoch eine ganz andere Welt.

Das «MuDA», das Museum of Digital Art, hat hier Mitte Juli seine neue Ausstellung eröffnet. In einem abgedunkelten Raum stehen Bildschirme, auf denen digitale Werke gezeigt werden – zum Beispiel Autos, die sich in geometrische Formen verwandeln, oder Steine, die dank Projektoren zum Leben erwachen.

Auch digitale Kunst braucht Platz

Was ist eigentlich digitale Kunst? «Das ist die Kunst der Nullen und Einsen», erklärt Christian Etter, Mitbegründer und Co-Direktor des MuDA. Es sei die Kunst der Zahlen und der Mathematik. Häufig funktioniert diese Kunst über Bildschirme, aber nicht nur: Es können auch programmierte Roboter sein, ein interaktives Werk oder klassische Malerei, die digitalen Regeln folgen.

Fünf Jahre im Dornröschenschlaf

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Das «MuDA» wurde 2016 in Zürich gegründet. In den folgenden vier Jahren zeigte es insgesamt zehn Ausstellungen und wurde dafür immer wieder ausgezeichnet. Daneben organisierte das MuDA auch Vorträge und Workshops für Kinder.

Mit dem Corona-Lockdown entfielen dem Museum alle Einnahmen. Da es sich fast vollständig durch die Besuchereintritte finanzierte, musste es schliessen und verschwand fünf Jahre von der Bildfläche.

Jetzt ist es wieder da. Das Tessin habe dem MuDA ein Angebot gemacht, erzählt Co-Direktor Christian Etter. Den jungen Leuten hier fehlten die kulturellen Möglichkeiten und sie wollten etwas Neues wagen. So ist das MuDA in der Burg in Bellinzona gelandet.

Wie es im November nach dieser Ausstellung weitergeht, sei noch offen, sagt Etter: «Wir können uns gut vorstellen, dass das MuDA mehr nomadisch unterwegs ist und auch in anderen Ländern, anderen Städten eine Präsenz aufbauen könnte.»

Solche Werke brauchen physisch Platz. Aber auch Werke auf Bildschirmen profitieren von einem Raum: Gewisse Arbeiten brauchen eine grosse Leinwand, damit sie die Besucher in ihren Bann ziehen können. Andere muss man mit 3D-Brillen anschauen. Alle profitieren von der sehr bewusst gewählten Anordnung und Präsentation, die im Museum möglich ist.

Ein weiterer zentraler Punkt eines Museums im Vergleich zu einer Webseite ist der Austausch, sagt der ausstellende Künstler Dirk Koy: «Der Dialog zwischen den Leuten, die die Kunst anschauen, ist für mich sehr wichtig.» Co-Direktor Christian Etter vergleicht es mit einem Kinobesuch: «Es ist ein gemeinsames Erlebnis.»

Als das MuDA 2016 gegründet wurde, war digitale Kunst noch etwas ziemlich Neues. Seither sind fast zehn Jahre vergangen. Ist digitale Kunst heute akzeptierter als damals? Christian Etter meint, ironischerweise sei gerade das, was das MuDA zur Schliessung gezwungen hatte, ein Beschleuniger für die digitale Kunst gewesen: die Corona-Pandemie.

Wir sehen, dass die Leute digitale Kunst langsam – sehr langsam – auch als Kunst wahrnehmen.
Autor: Christian Etter Mitbegründer und Co-Direktor des MuDA

Es gäbe heute mehr Menschen, die bereit seien, für Kunst am Bildschirm zu zahlen, und mehr Sammler. Aber: «Es gibt immer noch eine riesige Diskrepanz, wie viel Zeit wir am Bildschirm verbringen, wie viele Inhalte wir konsumieren, wie wir Zugang zu Computern haben als Werkzeug, und was man in einem Museum sieht. Wir probieren das zu überbrücken.»

Digital, aber doch viel Handarbeit

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Ein Mann am Schreibtisch, vor ihm drei Bildschirme, eine VR-Brille und ein Lautsprecher.
Legende: Künstler Dirk Koy bei der Arbeit MuDA

Wer digitale Kunst im Kontext einer Ausstellung erleben kann, merke eher, wieviel Handwerk dahinter steckt, ist MuDa-Co-Direktor Christian Etter überzeugt.

Das sei nämlich vielen nicht bewusst: «Wenn man eine Skulptorin sieht, sieht man genau, was die macht, mit dem Hammer oder dem Meissel. Wenn jemand hinter dem Computer sitzt, sieht man leider nicht so direkt, was da passiert. Das heisst aber nicht, dass es weniger Handwerk ist. Diese Sensibilität ist am Wachsen, denke ich.»

Das erklärte Ziel des MuDA ist es, die digitale Kunst den Menschen näherzubringen. Er sehe da Fortschritte, sagt Etter: «Wir sehen, dass die Leute das langsam – sehr langsam – auch als Kunst wahrnehmen.»

Die Schweiz ist bereit für digitale Kunst

Dass digitale Kunst mehr Wertschätzung erfährt, zeigt sich auch an der Kulturlandschaft: Inzwischen hat die Schweiz immerhin zwei Museen für digitale Kunst. Neben dem wiedereröffneten «MuDA» gibt es noch das Haus der Elektronischen Künste (HEK) in Basel. Ausserdem wird digitale Kunst auch in konventionellen Museen und Ausstellungen gezeigt, vor kurzem zum Beispiel an der Art Basel.

Davon, dass digitale Werke so viel Wertschätzung erfahren wie Gemälde oder Statuen, sind wir allerdings noch ein weites Stück entfernt. Aber Christian Etter ist zuversichtlich: «Ich bin überzeugt: In 100 Jahren wird es viele MuDAs oder ähnliches geben, und es wird die Picassos im digitalen Raum geben.»

SRF 1, Rendez-Vous, 5.8.2025, 12:30 Uhr.

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