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Mythos «Marilyn» Warum dieser Warhol alles in den Schatten stellt

Die «Shot Sage Blue Marilyn» aus der Zürcher Sammlung von Thomas und Doris Ammann hat bei einer Kunstauktion 195 Millionen Dollar eingebracht. Warum ist dieses Portrait so viel wert?

Keine ging wie sie. Ihr Gang war Legende, ihre Kurven sowieso. Marilyn Monroe war wohl die berühmteste Schauspielerin der USA, galt aber lange als naive Blonde. Erst im Film «Niagara» aus dem Jahr 1953 konnte sie zeigen, dass viel mehr in ihr steckte.  

Henry Hathaways Thriller spielte vor den tosenden Niagara-Fällen, brachte Mord und Totschlag dorthin, wo üblicherweise frisch gebackene Ehepaare im Honeymoon die glücklichsten Tage ihres Lebens verbrachten. 

Monroe vor den Niagara-Fällen.
Legende: Marilyn Monroe in der Rolle der ruchlosen Ehefrau: Mit «Niagara» gelang ihr der Durchbruch. IMAGO / Cinema Publishers Collection

Verführung im Bild

Das Foto, mit dem der Film beworben wurde, zeigte Monroe mit Schlafzimmerblick und leicht geöffneten Lippen. Es war dieses Bild, das Andy Warhol 1962 kurz nach dem Tod der berühmten Schauspielerin erwarb und für seine Siebdrucke zu nutzen begann.

Warhol malte keine Bilder, machte keine Zeichnungen. Er reproduzierte Fotos von Suppendosen, Autounfällen oder Prominenten in grellen Farben – und machte damit das, was heute als Pop Art bekannt ist, endgültig berühmt.

Die Anfänge der Pop Art liegen in Grossbritannien, in den USA startete sie mit Warhol durch. Und die «Marilyns» sind Warhols berühmtestes Motiv. Ihn interessierte die Perfektion, mit der Marilyn Monroe die Rolle des Sexsymbols verkörperte – und nicht zuletzt Monroes Popularität, die auch Warhols Kunst einen weiteren Schub verschaffte.  

Konsum und Massenmedien

Es gibt unzählige «Marilyn»-Versionen von Warhol in unzähligen grossen Museen. Er wiederholte das Portrait in wechselnden Farben, wie ein Mantra der Oberflächlichkeit für eine Gesellschaft, die von Prominenten besessen ist und Menschen in Produkte verwandelt.

Portraits von Monroe in einer Ausstellung.
Legende: Millionenfach reproduziert und eher öfter bewundert: Andy Warhols wohl berühmtestes Bild. EPA/ANDY RAIN

Manche sagen, Warhol hielt dieser Gesellschaft mit seiner Kunst den Spiegel vor. Andere meinen, er bediente ihre Bedürfnisse besonders geschickt.

Herausragende Einzelstücke

Auf alle Fälle war Andy Warhol von der Repetition fasziniert. Aber unter den vielen ähnlichen Marilyns gibt es vier, die herausstechen: die sogenannten «Shot Marilyns». Alle sind quadratisch mit einer Seitenlänge von zirka einem Meter und unterscheiden sich nur durch die Hintergrundfarbe in orange, rot, hell- und azurblau.

Die Performancekünstlerin Dorothy Podber ballerte den vier hintereinander gestapelten Leinwänden 1964 in der Factory buchstäblich eine Kugel in den Kopf. Warhol selbst soll das Loch in den Leinwänden geflickt haben.

Eine moderne Mona Lisa  

Eine dieser «Shot Marilyns» aus der Zürcher Sammlung von Thomas und Doris Ammannn kommt nun in New York unter den Hammer. Im Vorfeld war kein Superlativ dem Auktionshaus fremd, die Rede war gar von einer modernen Mona Lisa.

Tatsächlich lässt sich hier die Aufmerksamkeitsökonomie nach allen Regeln der Kunst bedienen: Das Portrait einer Weltberühmten von einem Weltberühmten! Ein Bild, das in ähnlicher Form in vielen Museen hängt und dadurch berühmt, durch den Schuss aber auch einzigartig ist. Und: Ein Werk, das in fröhlichen Farben exemplarisch die Pop Art zusammenfasst, eine zugängliche Kunst ohne komplizierte Verweise, die auch kritisch gelesen werden kann.

 Mehr geht nicht unter den Gewinnmaximierenden.

Radio SRF 2 Kultur, 100 Sekunden Wissen, 09.05.2022, 06:54 Uhr

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