Derzeit scheint es, als habe Russland Afrika entdeckt. Allerdings nicht als ebenbürtigen Partner, sondern eher als Rohstofflieferanten, Absatzmarkt, Einflusszone und Verbündeten gegen den Westen. Diese handfesten Interessen werden von massiver Propaganda begleitet. Das zeigte nicht zuletzt der Russland-Afrika-Gipfel 2023 , der Ende Juli stattfand.
Neuerdings kommt auch die Kunst dazu: «Schönheit als Rhythmus» lautet der Titel einer Skulpturen-Ausstellung in der Petersburger Eremitage, während sich ein Kinofestival «Afrika – Zusammen in die Zukunft» auf die Fahnen schreibt.
Das Moskauer Museum des Ostens geht derweil dem Thema «Afrika – Gefühl der Farbe» nach, und die Petersburger Manege will mit einer grossangelegten Schau zeitgenössischer afrikanischer Kunst unter dem Titel «Umgekehrte Safari» das Publikum anlocken.
Afrika sei immer «vielfarbig, unverständlich, aber immer anziehend», ein «rätselhafter Kontinent», schwärmt die Journalistin Ekaterina Fissenko in bester kolonialer Manier im Ersten Kanal des russischen Staatsfernsehens.
Italien mischt mit
Co-Kurator der Ausstellung «Umgekehrte Safari» ist der Afrikaspezialist Alessandro Romanini. Der Italiener ist Dozent an der Kunstakademie in Carrara. Interviewanfragen liess er unbeantwortet, in der Akademie war er telefonisch nicht erreichbar.
2022 hatte Romanini den Pavillon der Elfenbeinküste auf der Biennale in Venedig kuratiert – entsprechend viel Kunst aus dem westafrikanischen Land ist jetzt auch in St. Petersburg zu sehen.
Der wichtigste Leihgeber ist die «LIS10 Gallery» aus Arezzo. Im russischen Staatsfernsehen freute man sich denn auch ausdrücklich, dass die Ausstellung trotz der Sanktionen mit europäischer Beteiligung stattfinden konnte.
Afrika-Bild voller Klischees
Ekaterina Degot, Moskauer Kunsthistorikerin und Chefintendantin des Kunstfestivals «Steirischer Herbst» im österreichischen Graz ist überzeugt, dass kulturelle Isolation grundsätzlich ein Problem sei. «Doch solange Krieg ist, ist es moralisch unhaltbar, mit staatlichen russischen Institutionen zu kooperieren.»
Während ein Grossteil von Europa sich abwendet, versucht sich Russland unterdessen im kulturellen Miteinander mit Afrika. «Afrika ist etwas sehr Fernes, sehr Abstraktes», erklärt Degot und fügt hinzu: «Afrika hat sogar absurde Züge für die Russen.»
Die Gegenwart ist abgesagt
Alle Unkenntnis manifestiere sich beispielsweise in dem russischen Ausdruck «Das ist Zimbabwe», der etwas sehr Heruntergekommenes bezeichnet. Dass ein neues Moskauer Museum «der Kultur der Länder Afrikas» gewidmet wird, zeigt, dass Russland koloniale geografische Zuschreibungen fortsetzt – schliesslich haben die Länder Afrikas sehr unterschiedliche Kulturen.
Kein gutes Zeichen ist zudem, dass das Museum in das Gebäude des früheren staatlichen Zentrums für Gegenwartskunst in Moskau einziehen soll. Das Zentrum war 2016 nämlich auf Druck des russischen Geheimdiensts FSB zerschlagen worden. Inzwischen ist die zeitgenössische Kunst mit ihren Provokationen und Travestien längst aus der russischen Öffentlichkeit verschwunden.