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Pax Art Awards Wie subversiv ist Faulenzen?

Ausgezeichnete Schweizer Medienkunst: Sie stellt kritische Fragen und ist zauberhaft zugleich. Das zeigt eine aktuelle Ausstellung.

Auch wenn die Reisebeschränkungen in der Corona-Krise gelockert werden: Ohne weitere Umstände richtig weit wegreisen kann, wer sich im Haus der elektronischen Künste Basel für Alan Boganas Arbeit «Sensible Spectrum» die Virtual-Reality-Brille aufsetzt.

Vorher müssen allerdings die Hände desinfiziert und eine Datenbrillen-Schutzmaske angezogen werden – so sieht es das Hygienekonzept des HeK vor.

Unter der Brille ist was los

Irgendetwas, vielleicht Sterne, Strahlen oder Aerosole, zischt um die Betrachterinnen und Betrachter, explodiert wie Feuerwerk am dunklen Himmel. Bogana macht mittels Kunst unsichtbare Phänomene wahrnehmbar. Neben dem Feuerwerk zeigt der Künstler zauberhafte Hologramme, flüchtig fremd und giftig grün, oder einen Ausblick in den Sternenhimmel der Zukunft.

Die menschliche Wahrnehmung, ihre Grenzen und ihre Individualität beschäftigen Alan Bogana. Für sein Werk wurde der 40-Jährige mit einem der Pax Art Awards ausgezeichnet.

verschiedene kleine Hardware auf einer Leinwand aufgehängt
Legende: Alle werden überwacht: Dagegen will Félicien Goguey mit seiner Kunst ankämpfen. Félicien Goguey, Masquerade, 2015-2019, Foto: Dylan Perrenoud

Die Grenzen der Wahrnehmung erweitert auch Medienkünstler Félicien Goguey. Er rückt mit seinen Werken ins Bewusstsein, wie weit die Überwachung in Mobiltelefonie und Internet geht.

Goguey baut Hard- und Software, die es Usern ermöglichen würde, ihre Daten zu schützen. «Masquerade» etwa besteht aus mehreren Hardwaresystemen, die gezielt Begriffe wie «Terrorist» oder «Waffensysteme» in Nachrichten verwenden und diese untereinander austauschen.

So sollen private und staatliche Online-Überwachungssysteme von der persönlichen Kommunikation tatsächlicher User abgelenkt werden.

Was sind die Pax Art Awards?

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Seit 2018 prämiert die Auszeichnung Schweizer Medienkunst. Während die etablierteren Kunstpreise anderer Schweizer Konzerne allgemein die junge Kunstszene fördern, konzentriert sich der Versicherer auf medienspezifische Praktiken. Zur Auszeichnung gehören neben Geld (1. Platz: 30'000 Franken, 2. und 3. Platz: je 15'000 Franken) auch eine Ausstellung und der Ankauf von Werken der Preisträger in die Sammlung des HeK. Nach der !Mediengruppe Bitnik, Lauren Huret und der Künstlergruppe Fragmentin, die im Erstlingsjahr 2018 ausgezeichnete wurden, lauten die aktuellen Preisträger: Das Künstlerduo knowbotiq, Alan Bogana und Félicien Goguey. Die Gewinner wurden schon letztes Jahr bekannt gegeben, nun zeigen die drei Preisträger ihre Arbeiten in einer Ausstellung im HeK.

Gier nach Gold

Den Hauptpreis der Pax Art Awards erhielt das Künstlerduo knowbotiq. Yvonne Wilhelm und Christian Hübler zeigen mehrere Installationen, die nach aufwendigen Recherchen entstanden. So spiegelt «Swiss Psychotropic Gold» den Reiz von und die Gier nach Gold.

eine Illustration eines Menschen, der von Tieren und Gold umgeben ist
Legende: Im neusten Werk von Yvonne Wilhelm und Christian Hübler geht es um Alchemie und Gold als psychoaktive Substanz. knowbotiq / the swiss psychotropic gold refining what is our mission

Die Installation «Amazonian Flesh» lädt Besucherinnen und Besucher in eine Makramee-Lounge. Aus Daten-Kabeln sind Hängematten und Sessel geknüpft, dazwischen hängen Bildschirme und Lautsprecher.

Wer hier abhängt, wird in eine widersprüchliche Erzählung verwickelt, in der Bots die Kontrolle übernehmen und automatisierte Arbeit anstatt menschliche Erwerbsarbeit propagieren.

Streik bei Amazon

Die Installation wirkt mit ihren vielen Sitzgelegenheiten zwar einladend, doch wer sich setzt, verwickelt sich in ein Gewirr hochaktueller Themen: Die Diskussion um Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerrechte beim Versandriesen Amazon, die durch die Corona-Krise erneut in den Fokus geraten ist, dient als Ausgangslage.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «Schweizer Medienkunst: knowbotiq, Alan Bogana; Félicien Goguey - Pax Art Awards 2019» ist noch bis am 2.8. im Haus der elektronischen Künste Basel HeK zu sehen.

Darüber legen sich diverse weitere Schichten. Etwa die Frage, ob Faulenzen allein bereits als subversive Praxis angesehen werden kann, oder: Wer eigentlich von der Automatisierung der Arbeit profitiert, die Bots oder wir?

Knowbotiq präsentieren ihre investigative Recherche nicht in dokumentarischer Form. Sie verlegen sich darauf, aus der Recherche Erzählungen zu spinnen, denen sich die Besucherinnen und Besucher im Gespinst der Daten-Kabel hängend hingegeben – oder sie total subversiv faulenzend bestreiken können.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 28.05.2020, 17:20 Uhr

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