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Prix Meret Oppenheim «Es braucht keinen Schnickschnack, sondern Raum fürs Leben»

Barbara Buser und Eric Honegger seien Pioniere der Nachhaltigkeit. Ihre Architektur widersetze sich der «Starchitecture», lobt das Bundesamt für Kultur. Darum erhalten die beiden den «Prix Meret Oppenheim».

«Räume, die kein Leben haben, triggern uns», sagt der 54-jährige Architekt Eric Honegger. Er denkt an die schicken, aber sterilen Wohn- und Büroüberbauungen. Land auf, Land ab werden sie hochgezogen, und die Menschen wirken darin wie verlorene Fremdkörper.

Die 66-jährige Architektin Barbara Buser bringt die Philosophie des Architekturbüros so auf den Punkt: «Es muss nicht perfekt sein, sondern funktionieren. Es braucht keinen Schnickschnack, sondern Raum fürs Leben.» Die Lösung liegt für die beiden in Gebäuden und Dingen, die scheinbar nicht mehr gebraucht werden, aber aus denen Neues entsteht.

Nutzen, was nutzbar ist

Buser und Honegger sind Meister der Um- und Zwischennutzung. Beide sind überzeugt, dass sich Menschen besser entfalten können und dass mehr Kreativität im Spiel ist, wenn auf Vorhandenem aufgebaut wird.

Dass Gebäude, welche die Lebensdauer noch längst nicht erreicht haben, abgerissen werden, ist den beiden ein Gräuel.

Kreatives Viertel statt schicke Wohnüberbauung

Ihr Prinzip setzten die beiden zum ersten Mal gemeinsam 1998 in Basel um: Aus der ehemaligen Volksbank wurde das «Unternehmen Mitte», ein Kaffeehaus mit Co-Working-Räumen. Später folgte das Gundeldinger Feld.

Auf dem Areal der Maschinenfabrik Sulzer wäre vermutlich eine schicke Wohnüberbauung entstanden, wenn sich Buser und Honegger zusammen mit engagierten Bewohnerinnen und Bewohnern nicht eingemischt hätten.

eine Strasse und ein Haus im Hintergrund mit Fussgängern
Legende: Das Gundeldinger Feld erstrahlt 2015 in neuem Glanz: Mit Restaurant und Kletterhalle. baubüro in situ ag, 2020

20 Jahre später ist das Gundeldinger Feld ein pulsierendes wie vielfältiges Viertel mit Restaurants, Kletterhalle, Backpackerhotel, Büros, einer Brauerei und vielem mehr geworden.

Die Bauwirtschaft muss umdenken

In Winterthur haben Buser und Honegger mit ihrem Baubüro «insitu» der Ressourcenverschwendung im Bau den Kampf angesagt. Sie stocken eine alte Industriehalle um drei Etagen auf. Dabei wird der Um- und Neubau zu 80 Prozent aus wiederverwendeten Bauteilen bestehen.

eine Illustration eines neuen Hauses
Legende: Halle 118 in Winterthur: Hier sollen Werkstätten, Ateliers und Denkstuben entstehen. baubüro in situ ag, 2020

Mit der Halle 118, diesem Leuchtturmprojekt der Wiederverwendung, wollen die beiden ein Zeichen setzen: In der Bauwirtschaft, die als Haupttreiberin des Materialverbrauchs gilt, ist dringend ein Umdenken gefragt.

Ausserhalb der Systeme aber aktuell

Die beiden bewegen sich mit ihrer Arbeit ausserhalb der Systeme und werden von sogenannten Stararchitekten und Architekturkritikern oft sogar belächelt für ihre «Bastelei».

Dem Bundesamt für Kultur aber sind ihre Pionierleistungen aufgefallen, gerade weil der intelligente und innovative Umgang mit dem Bestehenden perfekt in unsere Zeit, in der Klimawandel und Ressourcenknappheit hochaktuelle Themen sind, passt.

Die Grundlage ihrer Arbeit liegt in Afrika. Nach ihrem Studium an der ETH Zürich war Barbara Buser für zehn Jahre unter anderem in Tansania in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Dort lernte sie, dass nichts weggeworfen, sondern zu Neuem umfunktioniert wird.

Sendehinweis

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Am Mittwoch, 15. Juli 2020, ist die Preisträgerin Barbara Buser zu Gast in der Radio SRF 2-Sendung « Kontext » (09.00-10.00 Uhr) und erzählt, warum es ein Umdenken in der Baubranche braucht.

Von dieser Idee, dass das Vorhandene wertvoll ist, die Kreativität ankurbelt und die Form mitbestimmt, arbeiten Buser und Honegger seit über 20 Jahren. Noch bewegen sie sich in einer Nische. Aber diese findet zusehends Beachtung.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Nachrichten, 03.07.2020, 16:30 Uhr

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