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Schweizer Fotografin Pia Zanetti: «Wenn Fotos gelingen, macht das Herz einen Hüpfer»

Sie war eine der ersten Frauen, die in der Schweiz die Fotografie zum Beruf machte. Ihr neues Buch zeigt: Pia Zanettis Fotos erzählen immer Geschichten.

Auf dem Cover ihres neuen Buches ist Pia Zanetti selbst zu sehen. Sie verschwindet fast in viel zu grossen Arbeitsklamotten. Gedacht sind die für die Kumpel einer Kohlegrube in Belgien. Pia Zanetti trägt sie, weil sie die Mineure in die Grube begleiten konnte. Obwohl das eigentlich nicht geht, denn Frauen bringen Unglück unter Tag.

Wie hat sie das geschafft? Pia Zanetti lacht und sagt: «Mit viel Überredungskunst.» Dass sie nicht aussehe wie eine, die plötzlich die Pistolen aus dem Sack hervorhole, habe wohl auch geholfen. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass die zierliche Frau nicht lockerlässt, bis sie selbst sehen kann, was sie gern sehen möchte.

Die Neugier treibt Pia Zanetti auch mit 80 Jahren noch an. «Sie ist meine Inspiration», sagt die Fotografin. In über 60 Jahren Berufsleben bereiste sie die halbe Welt. Sie berichtete über Menschen auf der Strasse, im Fussballstadion oder im Krieg. Ihr neues Buch zeigt einen Überblick über ihr Werk.

Zanetti und ihr Mann, der Journalist Gerardo Zanetti, waren ab 1963 ein gern gebuchtes Duo der Schweizer Medienlandschaft, die komplett fertige Geschichten ablieferten. Er schrieb, sie machte Fotos: über den jungen Peter Bichsel, als der noch Lehrer war, oder über südafrikanische Tagelöhner zu Zeiten der Apartheid.

Bild einer schlafenden Frau mit Lockenwicklern auf einem Rodeo in den USA.
Legende: Geschichten stecken überall – etwa in den Zuschauerrängen eines Rodeos in Chicago (USA, 1967). Pia Zanetti, USA 1967

Pia Zanetti ging für ihre Bilder auch an Grenzen. In London dokumentierte sie Proteste gegen den Vietnamkrieg, die Polizei schritt ein und warf nicht nur die Demonstrierenden, sondern auch die Fotografin über einen Gartenhag. «Da wurde ich schon wütend auf die Journalisten, die da oben sitzen und einfach bloss zuschauen», sagt Zanetti im Rückblick.

«Ich brauche kein Teleobjektiv»

Als Bildermacherin ging sie immer nah dran. Pia Zanetti versteckte sich nicht, sondern suchte den Kontakt. «Die Nähe zu den Menschen vor der Kamera war mir wichtig», sagt Zanetti. Das zahlte sich aus. Die Menschen, die sie fotografierte, reagieren in den Bildern auf sie. Daraus entstehen Geschichten im Kopf der Betrachterinnen und Betrachter. 

Ein Billard spielender kleiner junge.
Legende: Unschärfe als Stilmittel (Vietnam, 1999). Pia Zanetti

Für das neue Buch hat Pia Zanetti ihr Werk noch einmal durchgesehen. Und einiges neu entdeckt. Der Zeitgeist habe sich geändert, erklärt die Fotografin. Was früher als unbrauchbar galt, werde heute als besonders aussagekräftig betrachtet.

Zum Beispiel: Bewegung und Unschärfen. Zanetti ist selbst mit der Zeit gegangen, hat die analoge Fotografie hinter sich gelassen und liebt das digitale Bildermachen. «Auch wenn man das als ältere Dame fast nicht sagen darf», so die 80-Jährige. Und grinst dabei undamenhaft breit übers ganze Gesicht.

Buchhinweis

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Pia Zanetti: «Eine fotografische Zeitreise». Edizioni Periferia, 2023.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Talk, 13.12.2023, 9:05 Uhr.

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