Im Innern der Türme des Zürcher Grossmünsters schütteln die Toten ihre Skelette: Seit einigen Tagen arbeitet dort der Künstler Harald Naegeli an seinem «Totentanz».
Mehr als zehn Jahre hat der Zürcher Graffitipionier für diese Wandbilder gekämpft. Jetzt erlaubten ihm die Kirchenpflege des Grossmünsters und der Kanton Zürich loszulegen.
Seine Gestalten nehmen Gestalt an: Die ersten der fantastischen Strichfiguren zieren die Wände.
Sie sind vollkommen legal angebracht. Bei Naegeli ist ungewöhnlich. Denn der heute 78-jährige «Sprayer von Zürich» wurde mit illegalen Graffitis bekannt.
Für die Stadt lange nur Schmiererei
Ende der 1970er-Jahre verzierte er anonym die Fassaden öffentlicher Gebäude mit Hunderten seiner Strichfiguren. Oder verunstaltete sie, wie die Behörden fanden.
Die Polizei fahndete über Jahre nach ihm. Mehrmals stand Naegeli vor Gericht und verbrachte mehrere Monate im Gefängnis. Einige seiner Sprayereien wurden weggeputzt.
Erst im letzten Jahrzehnt wurde er als Street-Art-Künstler und Graffiti-Pionier anerkannt. 2004 restaurierte die Stadt sogar eines seiner Wandbilder. Doch als er 2012/2013 wieder zur Spraydose griff, klagte die Zürcher Stadtreinigung.
Erst diesen Sommer legte die Stadt Zürich den jahrzehntelangen Rechtsstreit mit einem Augenzwinkern zu den Akten: Sie sah von Bussen und Strafen für die illegalen Bilder Naegelis ab – und erhielt dafür vom Künstler ein gerahmtes Bild.
So richtig zu trauen scheint Zürich seinem international bekannten Sprayer aber bis heute nicht: Seine Arbeit im Grossmünster wird streng und per Vertrag kontrolliert.
Totentanz auf Zeit
Naegeli erhält keinen Honorar und darf die Stadt auch sonst nichts kosten. Die Wandflächen im Grossmünster, auf denen er wirken darf, sind festgelegt.
Die Mauern wurden so präpariert, dass die Figuren wieder entfernt werden können. In vier Jahren sollen sie verschwinden.
Naegeli kann sich aber auch vorstellen, dass seine Figuren noch länger das Grossmünster zieren werden: «Mal schauen, wer dann darauf drängt, dass das wieder entfernt wird», sagte er gegenüber der NZZ.
Es wird sich also noch zeigen, ob darauf wieder ein Gerichtsfall folgt oder ob sich der Sprayer von Zürich mit seinem «Totentanz» im Herzen seiner Heimatstadt verewigen kann.
Sendung: Regionaljournal Zürich-Schaffhausen, Nachrichten, 13.11.18, 6:32 Uhr