Die Technik ist so alt wie vermeintlich einfach: Vertikale Kettfäden werden mit queren Schussfäden gekreuzt. Trotzdem hat Isabel Bürgin für Ihre Teppiche endlose Möglichkeiten: «Ich habe das Gefühl, ich brauche noch ein paar Leben, um all den Ideen nachzugehen, die ich habe. Wenn man nur eine kleine Komponente ändert, holt man immer wieder neue Qualitäten raus.»
Wie bunt, weich oder robust ein Stoff wird, hängt nicht nur vom Ausgansmaterial ab, sondern auch vom Muster, mit welchem die Fäden verwebt werden. Neue Stoffe entstehen bei der Basler Textildesignerin am Webstuhl, aus dem Experimentieren heraus.
Wie weiss sie, wann ihr ein neuer Stoff gefällt? «Wenn es Freude macht, den Stoff anzufassen. Wenn er stabil genug ist, für das, was er aushalten muss. Und wenn er schön ist von den Farben und vom Muster her.»
Ihre Teppiche, Decken und Schals webt Isabel Bürgin von Hand. Andere Produkte entwirft sie, um sie von der Industrie produzieren zu lassen. Die Maschine sieht sie nicht als Konkurrenz: «Die Handweberei hat Vorteile, die in der Industrie nachteilig sind. Eine bunt gemusterte Kette wäre für die Industrie zu aufwendig, da gibt’s nur schwarze oder weisse Kett-Fäden.»
So kann sich Isabel Bürgin mit ihrem Ein-Frau-Betrieb auf dem Markt behaupten. Das erreicht sie aber nicht bloss am Webstuhl: Sie muss immer auf dem Laufenden bleiben, was die neuesten Materialien und Modetrends angeht, sie muss neue Kundschaft akquirieren und an Messen ausstellen.
Aus monetären Gründen macht man das nicht, meint die selbständige Weberin. Dafür kann sie ihrer Leidenschaft nachgehen: «Das Weben ist meditativ, hier komme ich in eine Art Alpha-Zustand. Da kommen mir immer die besten Ideen.»
Marie Schumann webt haushohe Installationen
Wie Isabel Bürgin hat auch Marie Schumann das Weben im Studiengang «Textildesign» entdeckt. Liebe auf den ersten Blick war es aber nicht: «Es braucht unendlich viel Geduld, schon nur, bis man starten kann. Macht man anfangs einen Fehler, sieht man ihn bis zum Schluss. Das ist für mich eine Peinigung. Ich habe eine Befreiung darin gefunden, dass ich den Faden aus diesem strengen Gerüst von Kette und Schuss rausnehmen kann.»
Die Technik des Webens nutzt die Künstlerin als Kommunikationsmittel, mit dem sie auch haushohe Installationen umsetzt. Dabei wölben und strecken sich ihre Stoffe, wirken mal schwer oder flattern im Wind.
«Textil ist unglaublich spannend, weil es wie eine Haut ist, irgendwie schlaf und fliessend. Gleichzeitig kann es auch ein Baustoff sein, um Räume zu gestalten. Ich kann schauen, wie weit ich das Material fast körperlich oder fast architektonisch hinkriege.»
Zufälle als Teil der Arbeit
Die collageartigen Designs entstehen am Computer. Auf der Bilddatei entspricht jeder der 4840 Pixel jeweils einem Faden, die dann von einer Maschine verwoben werden. «Auf diese Art kann ich ausloten, was an Komplexität noch zu schaffen ist und wie ich die Maschine in ihrer Machbarkeit an die Grenze bringen kann.»
Die Übersetzung vom Digitalen ist nicht immer vorhersehbar, auch sie muss viel experimentieren: «Der Zufall ist immer Teil vom Prozess. Ihn nutzbar zu machen und versuchen zu verstehen, das ist wichtig. Am Schluss ist es ein Hin und Her von Computer zur Maschine.» Mit Fäden, die sich verschieden zusammenziehen, bringt sie den flachen Stoff ins Körperlich-Räumliche und die Textilien selbst werden skulptural.